Bukephalos

STICH-WORT

03/10/17 So unmittelbar fällt Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, zu dem Namen nichts ein? Dem kann abgeholfen werden, Dank des Linzer Kunstmuseums Lentos und der Salzburger Burgen- und Schlösser-Verwaltung. Was für Don Quichote die knochenklappernde Rosinante, das war Bukephalos für Alexander den Großen.

Von Reinhard Kriechbaum

Es geht also um ein Pferd. 355 bis 326 vor Christus. Das sind angeblich die Lebensdaten des Streit-Rosses mit einer Verhaltensauffälligkeit: Es fürchtete angeblich seinen eigenen Schatten. Alexander der Große hat sich damit arrangiert und ritt in Schlachten gegen die Sonne. Wenn Bukephalos als gewaltiges Bronze-Standbild nun für sechs Monate im Hof der Salzburger Residenz Aufstellung nimmt, wird man hoffentlich auch auf den Schatten achten: Der könnte nämlich ziemlich imponierend ausfallen, ist das Ding doch fünf Meter lang und samt Unterkonstruktion neun Meter hoch. 2,8 Tonnen wiegt allein das Pferd, das auf einem Guss-Gestänge in luftiger Höhe steht. „Zügellose Archaik verwandelt in anmutige Schönheit“, heißt es in einer Presseaussendung dazu.

Andjé Pietrzyk, ein in Linz lebender Pole, hat die Riesenplastik gemacht. Warum? „Viel aus meiner Kindheit steckt darin“, verrät der Künstler in einem Imagefilm auf seiner Website. „Wildheit, Kraft, Entfaltungssehnsucht und auch etwas davon, mein inneres galoppierendes Pferd zu bändigen.“ So tickt eine Künstlerseele, wogegen unsereiner es höchstens mit einem deutlich leichtgewichtigeren inneren Schweinehund zu tun bekommt.

Abgesehen vom kathartischen Kunst-Wert und den Glupschaugen aus Murano-Glas, an denen sich die Begeisterung von Tierfreunden gewiss entzünden wird: Es sei dem Volumen nach „eines der größten Projekte zeitgenössischer Skulptur, das in Österreich in jüngster Vergangenheit umgesetzt wurde“, heißt es in der Presseaussendung. Schweres Gerät wird also demnächst auffahren, um das – wenigstens in Tonnen – gewichtige Ding in den Residenzhof zu hieven. Bukephalos hat ja keine Flügel wie sein mythologischer Verwandter Pegasos.

Nur sehr oberflächliche Betrachter könnten auf die Idee kommen, es mit einem Einhorn zu tun zu haben: Was vorne raussteht, ist die zum Zopf gedrehte Stirnmähne. „Tugend soll eingeflochten sein, in das Haar deiner Stirnlocke… ich habe dir die Macht verliehen zu fliegen ohne Flügel“, heißt es im Koran. Dort kommt das Pferd ebenfalls vor.

Eine Kunstsammlerin und Pferdenärrin namens Uta Scherb hatte die Skulptur in Auftrag gegeben, sie starb aber 2013 unerwartet. Andjé Pietrzyk hat unverdrossen weitergearbeitet, eine Linzer Unternehmerfamilie finanzierte schließlich den Bronzeguss. Hofreitschul-Chefin Elisabeth Gürtler ließ das Ding im Juni anlässlich der Fete Imperiale für einen Monat vor der Hofreitschule aufstellen. In Linz scheint man weder Bedarf noch Platz zu haben. In Salzburg schon: Von 6. Oktober bis März 2018 ist der „Goldene Bukephalos“ nun in der Residenz aufgestellt. Übrigens gibt es dort schon einen Bukephalos: ein Deckenbild von Johann Michael Rottmayr im Rittersaal der Residenz zeigt Alexander den Großen mit seinem Leibpferd.

Bilder: http://art-andje.at/video/ (2); dpk-Archiv (1)