asdf
 

Wie sich Bach anfühlt

STICH-WORT

09/12/16 Vielleicht denkt der Schreiber dieser Zeilen politisch nicht korrekt genug. Aber eine Aufführung von Bachs „Weihnachtsoratorium“, live „übersetzt“ in Gebärdensprache: Ist das nicht eine Form besonderer seelischer Grausamkeit gegenüber den Gehörlosen?

Von Reinhard Kriechbaum

Man macht Menschen also lange Zähne und vermittelt denen, die nicht hören können, was für gottvolle Musik ihnen entgeht. Das lässt Ingrid Allesch von der evangelischen Christuskirche, wo die Teile eins bis drei des Weihnachtsoratoriums am Sonntag (11.12.) aufgeführt werden, so nicht gelten. „Die Gehörlosen bekommen einen Luftballon und mit Hilfe des Luftballons und des Holzes in der Christuskirche können sie die Schwingungen der Musik nachempfinden. Und nur wir Hörende wissen, was sie eigentlich vermissen.“ Die Gehörlosen bekämen durch die Pauken und Trompeten, die Oboen und die Bassgruppe sehr viel mit. „Für sie ist das ein großartiges Erlebnis“, versichert Ingrid Allesch.

Dazu käme noch die Luther-Sprache (ein guter Teil des vertonten Textes entspricht dessen Bibelübersetzung). „Das ist eine Sprache, die Gehörlose normalerweise auch nicht übersetzt bekommen“, erklärt Ingrid Allesch, denn normalerweise gehe es bei Übersetzungen in Gebärdensprache „nur um das Notwendige, nicht um das, was das Leben lebenswert macht: Poesie, Spaß, Literatur und so weiter“. Genau das sei die Herausforderung für Andreas Schodterer. Der diplomierte Sozialarbeiter ist Dolmetscher für Österreichische Gebärdensprache. „Besonders gerne übernehme ich Aufträge zu Lyrik, Prosa, Musik“, erklärt er auf der Homepage des Verbands der Gehörlosenvereine im Land Salzburg. Bisher hat er Jazzmusik übersetzt.

„Herr Schodterer war fasziniert von der Beschäftigung mit der Lutherbibel und der Komposition und wollte die Probe mit Gordon Safari gar nicht mehr verlassen“, berichtet Ingrid Allesch, die auch erzählt, dass Gehörlose sehr gerne tanzen. „Mein Initiationserlebnis war die Paukerin Evely Glennie, die ich in England gehört habe, die als Gehörlose barfuß auf die Bühne geht, den Dirigenten kein einziges Mal anschaut und perfekt die Pauke spielt in klassischen Konzerten.“

In der evangelischen Kirche gibt es schon seit dreißig Jahren Inklusion (also das Miteinander mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen). Volker Toth, damals Pfarrer an der Christuskirche, hat damals mit dem Kindergarten begonnen.

Johann Sebastian Bach, Weihnachtsoratorium Teil I-III. Sonntag (11.12.), 18 Uhr, Christuskirche. BachWerkVokal Salzburg, Leitung Gordon Safari – www.gordonsafari.com; www.gehoerlose-salzburg.at
Bilder: www.oegsdv.at (1); www.bachwerkvocal.com/ (1)

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014