Abendschuh und Gummistiefel
FESTSPIELE / LA CENERENTOLA FÜR KINDER
27/07/14 Wenn ein Kind seine Mama fragt, warum die so tun wie Schafe, kann man ihm im Augenblick wohl schwerlich das Wesen der Koloratur im Belcanto erklären. – Das Cenerentoputtel oder wie eine Klitterung noch keine Kinderoper macht…
Von Erhard Petzel
Man mag der Ansicht sein, dass Philosophen seltsame Vögel seien. Dass Alidoro zunächst in Käfighaltung präsentiert wird und dann als rotbartsche Apotheose menschliche Agenden übernimmt, erhöht jedenfalls nicht die Verständlichkeit, der Bezug zu den Tauben bei den Brüdern Grimm drängt sich dennoch nicht auf. Auch gibt es keinen zwingenden Grund, aus Papa Magnifico eine Mama-Travestie zu zaubern um der lieben bösen Schwiegermutter willen.
Für den pädagogischen Alltag aufbereitete Projekte leiden häufig darunter, mit Firlefanz punkten zu wollen und das Bedürfnis von Kindern nach durcherzählten Geschichten nicht genügend einzulösen. In diese Falle tappt Regisseur Ulrich Peter mit seiner Textfassung eher nicht. Aber er versucht durch verschiedene Änderungen die Unterschiede zwischen Rossinis Librettisten Ferretti und der Grimm’schen Version des Aschenputtels auszugleichen. Das gelingt in dieser Aufführung von Rossinis „La Cenerentola“, einer Kinderproduktion der Festspiele in der Großen Aula, mal besser und dann wieder weniger gut.
Reicht es, eine Oper auf etwas über eine Stunde Dauer zu kürzen, um eine Oper für Kinder zu erhalten? Oder hat man dann doch nur eine Kurzversion für Opernbesucher mit verringertem Aufmerksamkeitsvermögen? Kinder sind ein besonders anspruchsvolles Publikum, und Vermittlung klassischer Oper ist eigentlich eine Unmöglichkeit, wenn sie das Vorkindergartenkind ebenso erreichen soll wie das vor der Pubertät stehende. Danach hat es sich ohnehin anderem zugewendet oder will das Original.
Geschickt der halbrunde Prospekt Luigi Peregos, der wandlungsfähig und schnell die beiden Schauplätze hergibt. Dominierende Schirme und Stiefel zu Beginn werden im Sturm des 3. Akts in einem Schirm-Ballett aufgelöst, Cenerentola hat ihren Ballschuh in der Hektik versteckt, indem sie sich Gummistiefel übergezogen hat. Die Frage ist, inwieweit das Zielpublikum dergleichen wahrnimmt. Es fehlt die Vermittlung des Erzählten. Man lässt die Kinder letztlich mit der ästhetischen Rhetorik einer fremden Epoche auf ihren Kissenstapeln sitzen.
Das liegt nicht an den Sängern und Sängerinnen – auch heuer Mitgliedern des Young Singer’s Project der Festspiele –, die sich sehr achtbar den technischen Anforderungen stellen. Aber natürlich ist der gesungene Text nicht immer verständlich, was besonders gegen Ende einer Rossini-Walze unvermeidlich ist. Da fährt auch das ausgedünnte Orchester gnadenlos über die Sänger drüber. Maxime Pascal am Pult dirigiert die „salzburg orchester solisten“ insgesamt sehr klar und elegant. Alexander Krampes Arrangement bringt ein fallweise etwas isoliertes Piccolo, eine witzige Zieharmonika und ein doch eher abseitiges Marimba als Klangnote ein.
Auf der einen Seite vielleicht etwas viel Oper in Bezug auf die Aufnahmebedürfnisse der Kinder, andrerseits aber auch etwas wenig davon. Im plakatartigen Programmheft liest man den Hinweis auf einen Beipackzettel zur tagesaktuellen Besetzung an, nur weiß von einem solchen keiner nichts. Wahrscheinlich geht man von den Kindern aus und glaubt, dass denen das eh wurscht ist. – Viel Applaus der vielen braven Kinder. Aber Oper für Kinder war es wohl nicht wirklich.