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Geniale Dinge und musikalischer Sondermüll

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT GRUBINGER

24/08/11 Zeitgenössische Komponisten überschlagen sich, um für Martin Grubinger Konzerte zu schreiben. Sie wissen warum: Grubinger veredelt alles, was ihm unter die Finger oder die Handflächen, vor flauschig weiche oder beinharte Schlägel oder gar unter hölzerne Hämmer kommt, in ein sinnliches Hör- und Schau-Erlebnis. Da ist es gut Komponist sein. Auch zweit- und drittklassiger.

Von Reinhard Kriechbaum

altStundenlang kann Martin Grubinger sein Publikum mitnehmen auf die verführerischen Erkundungsreisen durch die Welt der Hölzer, Metalle und Felle. Da hört man gebannt mit anderthalb Ohren aufs Wie und bestenfalls mit einem halben Ohr aufs Was. Nach ein paar Stunden aber – und so geschah’s am Dienstag (23.8.) im Großen Festspielhaus – beginnt man doch darüber nachzudenken, ob die unendlich vielen Töne all das sportive und energiegeladene, fantasievolle und kunstreiche, verführerische und überrumpelnde Tun auch wirklich lohnen.

Es tut es natürlich bei Friedrich Cerha, überhaupt keine Frage. Mit dem 2009 in Salzburg uraufgeführten Stück hat Grubinger den Knüller schlechthin im Talon. Sprungbereit steht er da, um gleich den ersten kräftigen Trommelschlag von Orchesterseite (wo immerhin auch fünf Schlagwerker rumoren) mit halsbrecherischen Trommel-Tiraden zu beantworten, sich zu üben im Kräftemessen mit mächtigen Bläser-Chorälen und Tiraden der Bässe. Aber dann gibt es auch zuhauf kammermusikalisch Feines in dem Stück, geradezu un-erhörte Klänge. Bei jedem Wiederhören entdeckt man Neues, vor allem im geheimnisvollen Mittelsatz, der Schlagzeugklang geradezu entmaterialisiert. Ein geniales Teamwork von zwei Jungspunden: von dem im Kopf so jung gebliebenen 85jährigen Friedrich Cerha und dem kreativ alle Register ziehenden Martin Grubinger.

Das Schleswig Holstein Festival Orchester, das nun vierte juvenile Gastensemble dieses Festspielsommers, war gefordert an dem Abend, und der Dirigent John Axelrod natürlich auch. So unendlich viele Noten, die synchronisiert sein wollen! Die von zwei Pausen durchbrochene Konzert-Unendlichkeit mit sechs ausgewachsenen zeitgenössischen Schlagzeugkonzerten wurde achtbar über die Runden gebracht. Das Geniale (Cerha) ebenso wie das schon Kanonisierte (das Marimba-Konzert „Prism Rhapsody“ von Keiko Abe) oder das seit einem Jahrzehnt in vielen Konzertsälen Bewährte (Bruno Hartls Konzert für Schlagzeug und Orchester op. 23).

Würde man einen Algorithmus bilden aus Zahl der Noten, Klangfarbenreichtum, Virtuosität, Sinnlichkeit und sportlichem Wert (die Sprint-Strecken zwischen den Schlagzeug-Batterien sind nicht zu unterschätzen) und obendrein die Konzertdauer zum Kartenpreis in Relation setzen: Dann war es wohl das Schnäppchen-Konzert dieser Festspiele. Spaßverderber wollen wir keinesfalls sein, und drum sei nobel geschwiegen über Rolf Wallins „Das war schön!“ und Avner Dormans „Frozen in Time“. So etwas würden ökologisch denkende Musiker sorgfältig als musikalischen Sondermüll entsorgen.

Bild: SFS / Wolfgang Lienbacher

 

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