Von sechs über fünf zu sieben
FESTSPIELE / KAMMERKONZERT / CAPUÇON & FREUNDE
17/08722 Es war in der Vergangenheit bei den Festspielen öfter der Fall, dass Musiker, die einander sonst nicht oft begegnen, die Zeit hier nutzen, um inspiriert gemeinschaftlich aufzutreten.
Von Horst Reischenböck
Strauss war vorerst der irrigen Meinung, als „Ausläufer der Welttheater-Entwicklung im Reich der Musik“ mit Capriccio den Schluss-Strich, auch hinter sein eigenes Schaffen, gezogen zu haben. Aber es heißt nicht umsonst „Erstens kommt es anders, zweitens …“ – beispielsweise harrte seine zuvor entstandene Liebe der Danae noch ihrer Salzburger Uraufführung. Abgesehen von Des Esels Schatten, ein Jahr vor seinem Tod für das Internat seines Enkels Kloster Ettal komponiert!
Strauss bezeichnete Capriccio op. 85 bewusst nicht als Oper. Damals ob „dem geistigen Rang seiner schillernden Ironie“ als „artistischer Leckerbissen für Feinschmecker“ gelobt, zeigt das bereits das von ihm davon losgelöste Vorspiel seine Qualität. Solistisch nur für Streichsextett allein gesetzt, wird es deswegen, wie auch diesmal, gern als Ouvertüre von entsprechenden Ensembles gespielt.
Schon in ihm klingt hörbar der Konversationston des Disputs von Prima la musica e poi le parole an, den Kollege Mozart-Zeitgenosse Antonio Salieri zum Ausgangspunkt eines komödiantischen Einakters vorweg genommen hatte: All das eben redselig und auch gelegentlich aufbrausend von den Geigern Renaud Capuçon und Christoph Koncz, Gérard Caussé und Veronika Hagen an den Bratschen sowie den Celli in Händen von Julia und Clemens Hagen tonschön vorgetragen.
Danach war Wolfgang Amadé Mozarts Quintett g-Moll KV 516 programmiert. Darin überließ Clemens Hagen den Podiumsplatz Julia Hagen, die übrigens nach Heinrich Schiff auch bei Renauds Bruder Gautier Capuçon Violoncello studierte. Zart artikuliert alternierten im Kopfsatz die hohen und tiefen Streicher die Themen-Exposition, wirbelten durch das auftrumpfende Menuett und ergaben sich hingebungsvoll der anschließenden Tragik und latenten Melancholie. Das dazu nicht stärker kontrastierend gedacht tänzerische Finale wirkte danach irgendwie fast gequält aufgesetzt.
Es ist zwar nach all den späten, von greisen Strauss so bezeichneten „Handgelenksübungen“ nicht sein Opus ultimum geworden, andererseits hat er aber in den Metamorphosen für 23 Solostreicher persönliche Abrechnung und Abschied von all dem genommen, was ihm lieb und teuer war. Dass eine Urfassung für nur ihrer sieben Instrumente vorausging, ist erst seit den 1990er-Jahren dank Rudolf Leopold bekannt. Seine Rekonstruktion erlebte nach der Pause nun auch hier ihre lokale Erstaufführung.
Hingebungsvoll und mit vollem Engagement verbissen sich alle Beteiigten in das logischerweise darin weit einfacher durchhörbar und nachzuvollziehende Stimmengeflecht, bis nach dem emotionalen Aufruhr Alois Posch am Kontrabass das Trauermarsch-Zitat aus Ludwig van Beethovens Eroica vehement in den Raum stellte.
Die angepeilte Erschütterung wäre durchaus auch auf derzeitige Umstände umzumünzen, hielt allerdings nicht lange an und wurde vom explodierenden Beifall, den sich die Ausführenden absolut verdienten, weggewischt.