Leinwand spielt Fresko

HINTERGRUND FAISTAUER-FOYER / RESTAURIERUNG

04/02/21„Es ist ein erstklassiges Fresko. Aber es konnte nur zwölf Jahre lang bestehen.“ Die Restauratorin Heike Fricke-Tinzl kennt die farbintensiven Bildwerke im Faistauer-Foyer bis auf den Grund: „Es ist eine Leinwand, die tut, als ob sie ein Fresko wäre.“

Von Heidemarie Klabacher

Die großzügige Halle ist ein Nadelöhr. Wer in die Felsenreitschule will oder ins Haus für Mozart geht durch das Faistauer-Foyer. Nicht nur Festspielgäste in Abendkleid und Smoking müssen durch. Auch alle Handwerker und Bauarbeiter mit Materialien und teils großen Maschinen. Da entstehen, bei aller Vorsicht, Schäden: Solch „kleine Ausbrüche“, wie die Restauratorin das nennt, werden dieser Tage retuschiert. Ein „kleiner Wasserschaden“ sei von Heike Fricke-Tinzl und ihrem Team schon behoben worden, „so perfekt, dass man nicht mehr erkennt, wo er war“, sage Lukas Crepaz, der Kaufmännische Direktor der Festspiele, beim Pressegespräch heute Donnerstag (4.2.).

„Schwachstellen“, die immer Probleme machen, haben ihren Grund in der Geschichte des Kunstwerks. Der 350 Quadratmeter-Zyklus wurde von Anton Faistauer (im Bild links so, wie er sich selbst ins Bild gebracht hat) in Zusammenarbeit mit einem Team von neun Künstlerinnen und Künstlern im Jahr 1926 innerhalb von nur vierzig Tagen in den feuchten Putz im Wortsinn „an die Wand geworfen“.

Da waren sie tatsächlich ein Fresko. Ein expressionistisches Meisterwerk früher Moderne, in der gleichen Technik und Teamarbeit geschaffen, wie „nebenan“ im Karl Böhm-Saal das überdimensionale Deckenfresko mit dem „Türkenstechen“ aus dem Jahr 1690 von Johann Michael Rottmayr und seinem Schüler Christof Lederwasch. Dieses ist ebenfalls ein Sorgenkind der Restauratoren, aber es darf immerhin seit über drei Jahrhunderten ungestört an seinem Platz hoch oben verweilen.

Die Faistauer-Fresken hingegen wurden 1938 abgenommen, aber wenigstens (bis auf einige unliebsame Köpfe) nicht zerstört. Überhaupt sei Faistauer von den Nazis „eher ignoriert“ worden. Dennoch war die als Baumaßnahme deklarierte Abnahme ein ziemlicher Barbarenakt: Leinwand sei auf die Bilder geklebt und dann mit Hilfe „großer Messer“ heruntergerissen worden, schildert die Restauratorin das Vorgehen. Dass da überhaupt etwas übrig geblieben ist, klingt für Laien nach einem Wunder.

Jedenfalls seien die Leinwände vermutlich in großen Rollen auf irgendwelchen Dachböden herumgelegen, sehr lange: von 1938 bis 1956. Im Jahr 1949 wurden in einer Ausstellung im Künstlerhaus vier Bilder aus dem Freskenzyklus auf Platten gezeigt.

Und jemand sei „so clever“ gewesen, Clemens Holzmeister einzuladen. Damit bekamen die Vorgänge um die Fresken eine Dynamik, die bis heute andauert. 1956 wurden die Fresken, die keine solchen mehr waren, wieder angebracht. Nach umfassender Restaurierung, die zum Teil auch eine Rekonstruktion gewesen ist.

Verantwortlich war der Maler Alberto Susat. Ihn hätten die Landschaften im unteren Bereich „nicht interessiert“, erzählte Heike Fricke-Tinzl, daher seien dort einige wenige Meter – heute dick hinter Glas – des Originalfreskos zu sehen: Tiefe Rillen im Putz geben diesen Teilen etwas Dreidimensionales. Auch die Farben dieser Original-Reste sind noch erhalten, wie etwa die Ziegelwand mit dem Kaktus.

Der Restaurator und Maler Alberto Susat hat übrigens den gesamten Raum mit rotem Putz unterlegt, was bis heute bei der Farbwirkung mitspielt. Grundsätzlich sei die Restaurierung von 1956 gut gewesen, urteilen Fachleute heute. Im Mozartjahr 2006 wurden die Fresken zur Gänze abgenommen und mitsamt ihrem Untergrund nach modernsten Erkenntnissen restauriert. Schon damals war Heike Fricke-Tinzl dabei – weshalb sich durchaus gerne von „ihrem“ Foyer spricht. Die momentane Restaurierung hat also mehr was von einem „Kilometer-Service“, das kleine Schäden beseitigt und Schlimmeren vorbaut.

Auch die ins Haus stehende Generalsanierung des Festspielbezirks hat damit zu tun: Man erfasst schon jetzt, in welchem Zustand die Kunstwerke sind, denn der Umbau werde ein besonderer Stress, besonders für die Arbeiten von Faistauer (und eben auch von Rottmayr).

„Putz auf Leinwand“, eine konservatorische Herausforderung. Besondere Schwierigkeiten machen den Restauratoren die Stellen, wo die Leinwände zusammengeklebt worden sind: Die Überlappungen springen auf, Feuchtigkeit dringt ein. Kritisch kontrollierende Blicke gelten derzeit auch dem Rottmayr-Fresko. Auch die Kokoschka-Tapesserie im Wandelgang des Großen Festspielhauses wird dieser Tage restauiert. Man nutzt den Lockdown.

Bilder: dpk-klaba (4); Festspiele / Andreas Kolarik (1)
Zur Dokumentation Das Überleben eines Kultur-Frevels