Könner für Kenner

FESTSPIELE / MARTIN GRUBINGER & YUJA WANG

12/08/18 Für den Salzburger Martin Grubinger ist auch ein Festspiel-Auftritt gleichsam ein Heimspiel, in jeder Hinsicht eine „g‘mahte Wies‘n“. Jugendlich durchmischt füllten am Samstag (11.8.) also nicht zuletzt Fans das Große Festspielhaus bis zum letzten Platz und zusätzlich zu beiden Seiten auch das Podium.

Von Horst Reischenböck

Für Erfolg war also vorgesorgt, auch wenn nicht alles reibungslos ablief. Beim Einlass staute es sich wieder einmal. Nicht bloß, weil trotz die Türen erst 15 Minuten vor Beginn des Solistenkonzerts geöffnet wurden, sondern da wie sonst nur bei Pop-Veranstaltungen als Festspiel-Novum erstmals gratis Ohrstöpsel ausgehändigt wurden (auf der Perner Insel wären sie heuer nötiger gewesen). Eine unnötige Warnung vorneweg, denn The Percussive Planet Ensemble forderte, geschweige überforderte die Akustik durchaus nicht.

Wie Martin Grubinger zu Beginn ausführte, war geplant gewesen, zunächst Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ in einer Fassung für Klavier und drei Schlagzeuger zu spielen. Vier Wochen vor dem Konzert untersagte dies jedoch der Verlag für Europa. In den USA wird’s möglich sein, und dort wird man es nachholen.

Kurzfristig musste also eine Notlösung her. Also verpackte Dirigent und selbst auch Schlagwerker Martin Grubinger sen. stattdessen in „Rituals“ Strawinsky-Motive zu Improvisationen. Damit bot die erste Hälfte des Abends einen Einblick, wie vom Umfang her im vergangenen Jahrhundert das Angebot durch Trommeln, Xylophon, Marimba etc. bereichert wurde. Es war eine abwechslungsreiche Palette an Klangmöglichkeiten, von neun Spielern, angeführt durch Sohn Grubinger, ausgebreitet wurde. Angereichert durch E-Bass und E-Gitarre, Keyboard, Per Rundberg am Klavier sowie Trompete, Posaune. Weiters hörte man in Soli Alexander von Hagke als Saxophonisten in Fußstapfen von Jan Garbarek. Mit der Klarinette ließ er Klezmer-Anklänge hören. Für Kenner mischten sich eindeutig Fragmente aus den Balletten „Der Feuervogel“, „Petruschka“ und eben dem „Frühlingsopfer“ nebst anderen Ideen ins rhythmisch pulsierende Geschehen. Dafür gab es schon mal Standing Ovations.

Die mit 45 Minuten überlange Pause war dann der Technik geschuldet. Danach stakte die zarte Pianistin Yuja Wang in High Heels auf die Bühne. Im Vorjahr hatte sie erstmals im Haus für Mozart in Maurice Ravels G-Dur-Klavierkonzert gastiert, nun widmete sie sich mit fulminantem Einsatz im Alleingang zunächst drei Etüden von György Ligeti. In denen fordert er die Finger halsbrecherisch, ohne Rücksicht auf Verluste. Ligeti dachte gewissermaßen Claude Debussy weiter und nutzte die Tasten aberwitzig vornehmlich mit Blick auf die schlagtechnische Möglichkeiten. Grandios, überwältigend: Yuja Wang sollte sich einmal zyklisch all diesen in zwei Etüdenbänden versammelten Miniaturen widmen.

Ähnliche Virtuosität, gepaart mit Gestaltung sensibler Klänge im Lento inmitten, verlangte auch Béla Bartók in den Ecksätzen seiner Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug Sz. 110 den Ausführenden ab. Auch hier ein Arrangement von Grubinger sen., wobei in der Hauptsache der zweite Klavierpart den wirbelnden Schlegel seines Juniors und einem Kollegen als Marimba-Duo anvertraut sind. Das bringt interessante Klangfarben. Freilich übertönten die Marimba-Virtuosen oft die spiel- und einsatzfreudige Kollegin am Flügel. Vor allem aber drängten sie die von Bartók den beiden obligaten Schlagzeugern zugedachten Partien akustisch ins Abseits. Das war auch deren Aufstellung hinten geschuldet.

Nach diesem offiziellem Schlusspunkt um 23.30 Uhr noch eine Zugabe? Das verhindert dann jegliche Möglichkeit, das ohnedies ausgedünntes Angebot öffentlicher Verkehrsmittel doch noch zu nutzen. Festspielkarten gelten auch als Busticket. Das ist umweltfreundlich gedacht, aber bei so spätem Konzertbeginn klappt's nicht.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli