Einfach klassisch

FESTSPIELE / MOZARTEUMORCHESTER / GIOVANNI ANTONINI

23/08/16 Aus heutiger Sicht waren sie ja alle „Gastarbeiter“, denn es war keiner der drei großen Meister der Wiener Klassik (oder auch: der Ersten Wiener Schule) tatsächlich ein Wiener.

Von Horst Reischenböck

Auch die Matinee des Mozarteumorchesters unter Giovanni Antonini hat am Samstag (20.8.) ob des weitflächigen Stromausfalls mit viertelstündiger Verspätung angefangen. Dafür gleich Energie genug für Joseph Haydns grandioser f-Moll-Sinfonie Hob. I:49, deren Tonart Christian Daniel Friedrich Schubart mit tiefer Schwermut, körperlichem Schmerz und Todessehnsucht in Verbindung brachte. Charakteristischer Vertreter und vielleicht prominentestes Beispiel von Haydns Schaffensperiode, die Forscher-Doyen H. C. Robbins Landon mit dem aus der Literatur entlehnten Begriff „Sturm und Drang“ etikettierte. Gerade dieses Werk hatte Giovanni Antonini als Auftakt für sein ehrgeiziges Projekt gewählt, bis zu Haydns 300. Geburtstag im Jahr 2032 alle seine Sinfonien im Kontext mit Zeitgenossen aufzunehmen.

Wie er durch seine beschwörenden Hände dem willig folgenden Mozarteumorchester „La passione“ – ihr später, nicht von Haydn stammender Beiname – verinnerlichte, machte schon der erste Ton des eröffnenden Adagio klar. Ein staunenswertes Wunder an emotionalem Ausdruck in einer Ökonomie der Mittel von lediglich zwei Oboen und einem Hörnerpaar, das allerdings gegen die relativ groß besetzen acht ersten Geigen trotz deren nahezu gänzlich vibratolosem Spiel klanglich in eher „romantisch“ anmutendes Hintertreffen geriet. So perfekt differenziert die Streicher im Kontrast zu gefordert dynamischen Ausbrüchen der Vorlage auch abschattierten.

Ebenso energisch nach vorn dräuend darauf der Einstieg in Wolfgang Amadé Mozarts aufmüpfig-jugendliches Gegenstück, die Sinfonie KV 183, mit der er wohl dazumal sein Umfeld erschütterte. Ambitioniert horchte Antoinini aus ihren Ecksätzen den latenten Unterton unerfreulich mürrisch grollender Unzufriedenheit von g-Moll heraus, der Tonart, die durch Haydns in sich vierteiliger Ouvertüre zu „L'isola disabitata“ Hob. XXVIII:9 auch eine Klammer um die Pause herum schwang. In den Vivace-Abschnitten stürmisch (jedoch nicht im Shakespeareschen Sinn) dramatische Illustration des Ausdrucks der Verzweiflung Schiffbrüchiger, verschlagen auf eine wüste Insel.

Zum Abschluss eine nochmalige Steigerung: Antonini widerspricht mit seinen Intentionen zu Beethovens Vierter Sinfonie op. 60 klar der verbreiteten Ansicht, sie sei nur ein Leichtgewicht im Schatten umgebender Schwesterwerke. Die Energie berührte gleichsam jede Faser der Beteiligten auf dem Podium im Großen Saal des Mozarteums. Nach fulminant genommenem Allegro-Vivace auf die bereits überaus spannungsvoll aufgeladen langsame Einleitung geriet das Adagio zur idealen Basis für ein geradezu phänomenal geblasenes Klarinettensolo. Bravissimo! Wie sich auch im nachfolgenden Trio die perfekt ausgewogene Holzbläser-Riege in Summe hörbar wohl fühlte. Differenzierter Einsatz gar dreier Pauken lieferte dem schwungvollen Kehraus weitere klangliche Akzente. Dieses Finale wurde angesichts des Jubels als Zugabe wiederholt, geringfügig anders gewichtete Akzente unterstrichen die innige Gemeinschaft aller Beteiligten mit dem Gast am Pult.

Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli