Im Frühtau zu Berge wir geh’n, wallera…

RESIDENZGALERIE / ALPEN - SEHNSUCHTSORT & BÜHNE

14/07/11 Auf den Gipfeln oben sitzen die Götter, und im Inneren verschiedener Berge langweilen sich Karl der Große oder Friedrich Barbarossa dem Jüngsten Tag entgegen. - Bis zum 6. November dauert die überaus sehenswerte Ausstellung „Alpen – Sehnsuchtsort & Bühne“ in der Salzburger Residenzgalerie.

Von Werner Thuswaldner

altWenn der Berg ruft, muss der Bergsteiger Folge leisten, ob er will oder nicht. Und dann will der Berg unnachgiebig auf seine jährliche Opferquote kommen. Die Herabfallenden setzen sich aus Einheimischen und Zugereisten zusammen. Zum Glück gibt es die Bergrettung, die nicht dazu da ist, wie der Name sagt, bröckelnde Berge vor dem völligen Verschwinden zu retten, sondern die Kühnsten unter uns zu bergen (man beachte das Zeitwort) und sie ins Unfallkrankenhaus zu bringen.

altFrüher fürchteten sich die Menschen vor den Bergen und hielten die Höhlen für Eingänge in die Unterwelt. Heute gleichen Pistenraupen oben den rarer gewordenen Schnee aus, und die herabstürzenden Wasser werden flugs für die Gewinnung elektrischer Energie eingespannt. Von Bergsteigern, die den Gipfel endlich „bezwungen“ haben, heißt es, dass sie anschließend die Aussicht genießen. Heute erkennt man, dass die Natur in dieser Hinsicht viele Unzulänglichkeiten aufweist, und es müssen daher da und dort und immer mehr aufwändige technische Konstruktionen für das Hochgebirge entwickelt werden, um touristisch attraktive Aussichtsplattformen zu schaffen.

altDie von Erika Oehring erarbeitete, didaktisch klug und ergiebig konzipierte  Schau in der Residenz geht auf vielerlei Aspekte des Themas ein und zeigt vor allem, mit welcher Hingabe sich die Malerei des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts um die Berge gekümmert hat, nachdem um 1800 die Scheu vor den Gipfeln abgenommen hatte und abenteuerliche Erkundungen eingeleitet worden waren. Die Maler waren von der „Majestät“ der Berge beeindruckt und halfen durchaus ein wenig übertreibend nach, wenn sie den Großglockner, die Pasterze oder den Großvenediger ins Bild rückten. Maler wie Joseph Anton Koch, Markus Pernhadt, Gustav Jahn oder Thomas Ender seien in diesem Zusammenhang genannt.

altDie Ausstellung setzt aber auch in der Gegenwartskunst einen Schwerpunkt. Jim Dine etwa stellte in den neunziger Jahren den Untersberg dar, mit einer eindrucksvollen Dohle im Vordergrund. Der Schweizer Stefan Huber ironisiert das Thema mit plastischen Bergen aus Gips, die Gruppe „Alpine Gothik“ erinnert daran, dass das Edelweiß untrennbar mit den Alpen zusammengehört. Die Mitglieder der Gruppe haben das Schnitzen von Edelweißen in Serfrans erlernt.

Die Eventisierung des alpinen Raums hat nicht etwa Hubert Lepka erfunden, der Jahr für Jahr in Sölden an Hannibals Alpenüberquerung erinnert. Das Gedicht „Maskenball im Hochgebirge“ von Erich Kästner belegt den Gusto für das Außergewöhnliche in den zwanziger Jahren, aber schon 1880 wurde der Kesselfall in Kaprun beleuchtet, um das Naturwunder richtig in Szene zu setzen.

altDie Vermarktung der Alpen hat durchaus auch künstlerische Kräfte mobilisiert. Dem Maler Alfons Walde mit seiner Werbegrafik verdankt Kitzbühel, international ins Geschäft gekommen zu sein, und ein weiterer Werbefachmann mit hohem kunsthandwerklichem Anspruch war Josef Binder (der später in New York zum Lehrer von Andy Warhol wurde).

Ein großes Begleitprogramm für die Dauer der Ausstellung steht fest. Ein Katalog beinhaltet lesenswerte Beiträge (und weniger gut gelungene Reproduktionen).

„Alpen – Sehnsuchtsort & Bühne“. Bis 6. November in der Residenzgalerie Salzburg. - www.residenzgalerie.at
Bilder: Residenzgalerie