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86 Milliarden graue Zellen

HAUS DER NATUR / DAS GEHIRN

30/05/20 Es muss ja ein Homo sapiens herauskommen bei solch einer imponierenden Menge von Nervenzellen. Das menschliche Gehirn hat beinah so viele, wie es Sterne in der Milchstraße gibt. Aber halt: Auf die Menge und Größe allein kommt es nicht an. Auch kleinere Hirne bringen beachtliche Leistung. Übrigens mit vergleichsweise wenig Energiebedarf.

Von Reinhard Kriechbaum

Das Haus der Natur öffnet nach der Zwangspause am Pfingstmontag (1.6.) und bietet gleich eine neue Sonderausstellung: Das Gehirn – Intelligenz, Bewusstsein, Gefühl. Ein weites Spannungsfeld also, weil wir haben tragen zwar die Wut im Bauch, fühlen die Angst im Nacken und die Liebe im Herzen (das hoffentlich am rechten Fleck sitzt) – aber letztlich läuft all das doch alles auf die toll vernetzte Neuronen-Platine unter der Schädeldecke hinaus. Aristoteles hat in Sachen Gehirn Fake News verbreitet. Er dachte, es sei nur zum Kühlen des Blutes da.

Der naturgegebene Bordcomputer hat sich vor ungefähr 450 Millionen Jahren herausgebildet, bei den Fischen zuerst. Mit den Amphibien ist die Schaltzentrale des Zentralnervensystems ans Festland gekommen. Dort haben die Säugetiere ordentlich Gehirnschmalz abbekommen, die Vögel zeitlich als letzte, aber das soll kein Misstrauensvotum gegen das Spatzenhirn sein. Die Ausstellung hat viele mediale und analoge Mitmach-Stationen, und da erfährt man unter anderem auch, dass die Größe nicht das Maß aller Geistesdinge ist. Das Gedächtnis des Elefanten ist zwar legendär, aber die soziale Intelligenz der Ameise ist mindestens so beeindruckend.

Der Leiter des Hauses der Natur, Norbert Winding, kann auf ein schönes Beispiel für tierische Intelligenz in seiner Aquarien-Abteilung verweisen. Der Oktopus dort kann den Schraubverschluss eines Glases öffnen, wenn ihn der Hunger auf eine dort platzierte Garnele überkommt. Das ist kein Einzelfall. Den Trick mit dem Schraubglas kriegen alle Oktopusse (die ja nur eineinhalb Jahre alt werden) im Lauf der Zeit raus.

Ein Blickfang in der umfangreichen und vielfältigen Schau ist die Galerie der Gehirne, 73 originale Feuchtpräparate von Wirbeltiergehirnen. Die Texas-Klapperschlange hat eines der kleinsten. Übrigens wurden die Schädel der Menschen-Prototypen im Verlauf der Jahrmillionen immer größer. Das Gehirn darin wuchs mit den Herausforderungen. Freilich kann man zum Leidwesen der Forscher vom Anschauen nicht auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Gehirns schließen. Ein Pathologe in den USA hoffte aus jenem von Albert Einstein klug zu werden. Die Untersuchung hat nichts gebracht, aber immerhin kann man jetzt im Haus der Natur zwei Schnittpräparate vom Einstein'schen Denkapparat bewundern. Man hat sie aus einem Museum in Philadelphia eingeflogen.

Was das Kurzzeitgedächtnis angeht: Versuchen Sie gar nicht erst, es beim raschen Antippen von verschwindenden Zahlenreihen mit dem Schimpansen im Video aufzunehmen. Die Viecher können das viel besser als unsereiner. Trostreich dagegen die Begegnung mit dem liebenswürdigen Roboter KIM: Der Bursche trägt, wie es sich gehört, einen Mund-Nasenschutz. Er bewegt sich ungefähr so souverän durch den Ausstellungsraum wie ein selbsttätiger Rasenmäher oder ein automatischer Staubsauger. KIMs Aufgabe aber ist es, Besucher in einen Ausstellungsbereich nach jeweiligem Wunsch zu geleiten.

Nicht nur Menschen putschen sich mit Rauschmitteln auf. Jaguare fressen zu diesem Zweck Lianen (enthalten Halluzinogene), Lemuren knabbern Tausendfüßler, Rentiere berauschen sich mit Pilzen und Kängurus holen sich am Schlafmohn ihre Dosis an Opiaten.

Klar, dass ein Gehirn regelmäßig Ruhe braucht. Es gibt sogar eine kopf-interne Müllentsorgung. Sieben Gramm Abfallstoffe (vor allem Eiweiß) sammeln sich jeden Tag im Kopf des Menschen an und müssen während des Schlafs von der Gehirnflüssigkeit weggeschwemmt werden. Unter Gehirnwäsche versteht man trotzdem etwas anderes.

Während unsereiner schläft, träumt, arbeitet das Gehirn weiter. Es ordnet und verarbeitet Eindrücke des Tages und verwirft Vergessenswertes. Wenn Enten schlafen, schalten sie jeweils nur eine Gehirnhälfte aus. Ein Auge bleibt offen und der zugehörige Hirnteil wach – nicht nur Adleraugen sind wachsam.

Das Haus der Natur öffnet am 1. Juni alle Abteilungen und auch die Sonderausstellung „Das Gehirn – Intelligenz, Bewusstsein, Gefühl“ – www.hausdernatur.at
Bilder: dpk-krie

 

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