Gestellt - und doch aus dem Leben gegriffen

SALZBURG MUSEUM / ÖSTERREICH BILDER

17/03/17 Gletscher- und Industrielandschaft. Betagte Trachtenfrau und bekiffte Jugendliche... „Am Anfang stand ein Auftrag des Bundeskanzleramtes: Heimische Künstlerinnen und Künstler sollen sich mit Österreich befassen. Ziel war eine Publikation.“ Herausgekommen sind „ÖsterreichBilder“ - als schwergewichtiges Buch und hochkarätige Ausstellung im Salzburg Museum.

Von Heidemarie Klabacher

„Salzburg ist ein Hotspot der Fotografie in Österreich“, sagte Martin Hochleitner bei der Pressepräsentation der „ÖsterreichBilder“ am Donnerstag (16.3.) in der Kunsthalle im Untergeschoss des Salzburg Museums. In Salzburg beheimatet sei die Otto Breicha Fotosammlung des Museums der Moderne. Mit Hans Frank lebte hier einst ein Doyen der Geschichte der Fotografie in Österreich. Und hier gebe es die Galerie Fotohof: „Ein Kollektiv und Kompetenzzentrum für Fotografie, ein Top-Player, der international wahrgenommen wird.“

Und so kommt das Salzburg Museum dazu, die Erstpräsentation der ÖsterreichBilder zu beherbergen: „Wir haben davon gehört und angefragt, ob eine Zusammenarbeit möglich wäre.“

Zwanzig Fotografinnen und Fotografen haben also, großteils im vergangenen Jahr, ihr „Österreich“ fotografiert: Stadt, Land, Landschaft, Arbeit, Politik, Kunst, Sport, privates Leben – sei es im trauten Eigen- oder im trostlosen Pflegeheim, in umzäuntem Refugium im Grünen oder in vergammelter Bude in suburbia.

Ob historisches Handwerk und Tracht, „öffentliche oder industrielle Architektur, unberührte Natur oder Natur mit Grenzzaun und Flüchtlingen: Die Fotoserien an den Wänden der Kunsthalle vermitteln ein bewegend facettenreiches ÖsterreichBild – meilenweit entfernt von Klischee oder Hochglanzästhetik. So kommt es, dass sich einzelne Künstler mit dem Thema der Flüchtlingskrise befasst – und einige erstaunlich „artifiziell“ und zugleich besonders betroffen machende Arbeiten geschaffen haben. Lieb, die bunten Plastikmanderl im pinken Boot. Aber dann taummeln sie ohne Boot im Wasser...

Die Ausstellung zu Geschichte und Gegenwart der dokumentarischen Fotografie in Österreich, eine Kooperation zwischen Salzburg Museum und Fotohof, ist bei aller Geschlossenheit zweiteilig: Helga Aichmaier vom Salzburg Museum hat den historischen Teil übernommen und informiert über historische Aspekte der Fotografie in Österreich. Die Ausstellung mit historischem Material zehn Geschichten von den 1840er bis 1950er Jahren. Helga Aichmaier habe, berichtete Direktor Martin Hochleitner, erst jüngst eine Dissertation zum Thema „Entwerfen in der dokumentarischen Fotografie“ vorgelegt. Was absurd anmutet, fällt einem bei so manchem Bild wieder ein: Ganz zufällig werden sich nicht alle diese Menschengruppen und Motive vor den Kameras versammelt haben. Und wie „gestelzt“ historische Porträtfotos wirken, fällt mit solchen Gedanken im Hinterkopf noch viel mehr auf, als sonst. Tatsächlich wurde diese „Objektivität von Anfang an auch in Frage gestellt und nach genauerem Hinsehen als subjektiver Blick auf die Welt in der Vielfalt an dokumentarischen Praktiken und fotografischen Stilen erkannt“.

Rainer Iglar und Michael Mauracher vom Fotohof Salzburg widmeten sich der zeitgenössischen dokumentarischen Fotografie in Österreich: Präsentiert werden Fotoarbeiten - meist Werkgruppen, oder Videos. Gesellschaftliche, politische oder wirtschaftliche Blickweisen sind vertreten, besonders spannend sind biografische, ja autobiografische, Einsprengsel etwa in stilisierten Selbstporträts.

Für ein besonders weites österreichisches Panorama der Fotografie seien Fotokünstlerinnen und Fotokünstler aller Generationen eingeladen worden, auch um eine Ausgewogenheit an Geschlecht und Lebensorten zu gewährleisten, so die Verantwortlichen um politische Korrektheit bemüht. Klingt mühsam – die Ausstellung ist es nicht!

Wenn das Herz auch den Salzburger Fotokünstler zufliegt, sich etwa von Kurt Kaindls Erinnerungsorten kaum mehr lösen will, schenkt es den radikalen Positionen der Jungen nicht weniger Anteilnahme.

Fotografie von: Seiichi Furuya, Katharina Gruzei, Heidi Harsieber, Kurt Kaindl, Werner, Kaligofsky mit einem Insert von Raad al Abbas, Leo Kandl, Paul Kranzler, Paul Albert Leitner, Simon Lehner, Christopher Mavrič, Stefanie Moshammer, Andrew Phelps, Rudolf Sagmeister, Jan Schiefermair, Nora Schoeller, Ekaterina Sevrouk, Katarina Šoškić, Rudolf Strobl, Clara Wildberger und Manfred Willmann.

ÖsterreichBilder - bis 14. Mai im Salzburg Museum - alle Fotografien aller zwanzig in der Publikation und in der Ausstellung vertretenen Künstler auf  www.oesterreich-bilder.at
Bilder: Salzburg Museum/Rudolf Kopitz/Christopher Mavrič/Andrew Phelps/Kurt Kaindl
Rainer Iglar und Michael Mauracher (Hg.): ÖsterreichBilder. Fotohof edition Band 250, Salzburg 2017. 500 Seiten, 39 Euro - www.fotohof.at