Im Gefängnis einen echten Vermeer malen...

HINTERGRUND / SALA TERRENA / „KUNST UND STRAFRECHT“

02/12/15 Kann sich ein nackter Stadionflitzer auf die Freiheit der Kunst berufen? Ist der Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt, wenn der Kopenhagener Meerjungfrau eine schwarze Burka angelegt wird?

Oder ein gutes Stück weniger harmlos: Darf das gängige Logo einer internationalen Musikband auch in Österreich verwendet werden, wenn darin „SS“ – ohne inhaltlichen Zusammenhang – in ähnlichen Runen wie die nationalsozialistische Vereinigung geschrieben wird?

In der Sala Terrena der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg ist derzeit eine Ausstellung „Kunst und Strafrecht“ zu sehen.

Die Ausstellung „Kunst und Strafrecht“ thematisiert rund ein Dutzend solcher Fragen, leicht lesbar und anschaulich illustriert, mit meist legendären Fallbeispielen. Für Furore hat etwa die Geschichte von Harald Oskar Naegeli gesorgt, der Ende der 1970er Jahre als „Sprayer von Zürich“ weltbekannt wurde, mit Strichfiguren an Hausfassaden. Willy Brandt machte sich ebenso für ihn stark wie Nobelpreisträger Heinrich Böll, aber Naegeli wurde trotzdem rechtskräftig wegen Sachbeschädigung verurteilt und musste seine Strafe antreten. Die in der Verfassung garantierte Kunstfreiheit gestatte es dem Künstler nicht, sich über die Eigentumsgrenzen hinwegzusetzen. Posthum, im Jahr 2004, rehabilitierte die Schweiz einen ihrer berühmtesten Künstler der Gegenwart. Vor kurzem war ihm eine eigene Ausstellung gewidmet.

Einen Salzburger Fall, seinerzeit ein veritabler Festspiel-Skandal, hat der Salzburger Univ.-Prof. Kurt Schmoller im Gedächtnis. Er war damals junger Assistent am Institut für Strafrecht. Schauspieler hatten, bekleidet mit hautengen Anzügen, im Jahr 1987 bei der Aufführung des von George Tabori in Szene gesetzten Oratoriums „Das Buch mit sieben Siegeln“ in der Universitätskirche intensive sexuelle Handlungen dargestellt. „Am Morgen danach lief bei meinem damaligen Chef, Professor Otto Triffterer, das Telefon heiß. Rektor und Erzbischof fragten an, ob eine solche Darstellung nicht unter den Straftatbestand der öffentlichen geschlechtlichen Handlungen falle.“ Die Aufführung wurde damals nach der premiere abgesetzt. Wie denkt Schmoller heute über diese Causa? „Meines Erachtens liegt im Sinn der Kunstfreiheit bei einer hochrangigen künstlerischen Darbietung nicht die Voraussetzung vor, dass das Verhalten geeignet ist, ein ‚berechtigtes Ärgernis zu erregen‘.“ Der damalige Strafrechts-Professor Triffterer habe damals „eine vorsichtigere Auskunft“ gegeben.

Als einer der spektakulärsten Strafrechtsfälle in der Kunstszene gilt die Causa Han van Meegeren, dem wohl genialsten Kunstfälscher des 20. Jahrhunderts. Mit den Worten „ Ich habe das Bild gemalt“ kämpfte er nach dem 2.Weltkrieg um sein Leben. Denn ihm drohte wegen des Vorwurfs der Kollaboration die Todesstrafe. Er hatte dem nationalsozialistischen Reichsmarschall Hermann Göring ein angeblich vom großen holländischen Barockkünstler Jan Vermeer van Delft gemaltes Bild veräußert. Tatsächlich aber war Han van Meegeren der Maler. Er hatte seine Malweise so perfekt an die „Alten Meister“ angelehnt, dass auch Experten die Fälschungen nicht erkannten. Die Strafverfolgungsbehörden schenkten seinem Geständnis keinen Glauben. Und so malte er in der Untersuchungshaft binnen weniger Wochen ein weiteres Bild im Sinne Vermeers. Erst durch diesen nachdrücklichen beweis seiner Malkunst konnte er seinen Kopf retten.

Ob der Fall der Rockband Kiss, deren T-Shirt-Logos in Deutschland zu einem Strafverfahren führten, oder das Beispiel der Künstlerin, die ihren Hasen für eine Performance tötet – die Beispiele der Ausstellung sollen nicht nur Juristen ansprechen, sondern ein breites interessiertes Publikum, sagt Schmoller. „Ich halte die verschiedenen Berührungspunkte von Kunst und Strafrecht für äußerst spannend und bin begeistert, dass wir die Ausstellung jetzt in Salzburg zeigen können.“ Konzipiert wurde sie vor zwei Jahren an der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina (Frankfurt/Oder). Von dort hat man die großformatigen illustrierten Tafeln mit spektakulären Einzelfallbeispielen aus der jüngeren Vergangenheit übernommen. (Universität Salzburg/dpk)

„Kunst und Strafrecht“, bis 11. Dezember in der Sala Terrena (Toscana-Trakt der Residenz, Churfürststraße 1). Eintritt frei
Bilder: Ausstellungstafeln / dpk-krie