Der Aquarellist in den Hochhausschluchten

SALZBURG MUSEUM / GOTTFRIED SALZMANN

18/07/13 Eine Retrospektive hätte sie eigentlich werden sollen, die Schau mit rund achtzig Arbeiten im Salzburg Museum – aber ist der siebzigjährige Salzburger Künstler, kreativ wie eh und je, überhaupt schon fällig für eine rückblickende Werkschau?

062Kurator Nikolaus Schaffer plaudert aus dem Nähkästchen: Bei der konkreten Vorbereitung habe sich herausgestellt, dass Salzmann gerade in den letzten beiden Jahren besonders intensiv und vielfältig arbeitete. „Dabei erweiterte er sein ohnehin schon reichhaltiges Spektrum um etliche Facetten: Zu seinem Repertoire an Techniken kamen neue Werkgruppen, neue technische Möglichkeiten und Sichtweisen. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde die Hälfte der Ausstellungsfläche in der Kunsthalle der Neuen Residenz seinen neuen und neuesten Werken gewidmet.“

In Salzmanns jüngsten künstlerischen Arbeiten spielt die Collage eine Hauptrolle, wobei das Material aus abgerissenen Plakaten besteht, die der Künstler bei seinem letzten Aufenthalt in New York zusammengetragen hat. Geradezu akribisch setzte er diese Bruchstücke im Atelier neu zusammen. Die ursprüngliche Aussage ist nur mehr in Wort- oder Bildsplittern zu erahnen. Jenseits dieser ästhetisch verfremdeten Reklamewände breiten und türmen sich – oft mehrfach gestaffelt – die unübersehbaren Häusermeere der „Megacities“ aus, denen seit je her Salzmanns bevorzugtes Augenmerk gilt, die quasi zu seinem Markenzeichen wurden.

063Seit seinem ersten Aufenthalt 1983 ließ Salzmann die Faszination für New York nicht mehr los. Landschaft und Natur wurden als anregende Motive immer unwichtiger, der Blick des Künstlers zusehends durch den Vertikalismus der Wolkenkratzer geprägt.

Die neuen großformatigen Collagen mit Ausmaßen über zwei Metern fügen sich gut in die Raumverhältnisse in der Kunsthalle der Neuen Residenz ein. „Der Künstler streift damit endgültig das Image des aquarellistischen Kleinmeisters ab, obwohl er nach wie vor in diesem Genre, dem er auch seine Bekanntheit verdankt, aktiv ist“, so Nikolaus Schaffer.

Noch ein Aspekt der jüngsten Jahre: „Neuerdings hat sich Salzmann ein Thema erobert, bei dem ebenfalls der Höhendrang dominiert: die Innenräume von gotischen Kathedralen, die er, meist von verwegenen Standpunkten aus, perspektivisch auffächert. Ein neues vielversprechendes Kapitel wurde damit aufgeschlagen“, erklärt Schaffer.

Trotz des aktuellen Schwerpunkts ermöglicht die Ausstellung auch einen Überblick - sozusagen von Salzmanns erstem Aquarell an bis heute.

064In zahllosen Stadtlandschaften von New York, San Francisco, Paris, Hongkong und Tokio verbindet Gottfried Salzmann Aquarell mit Mischtechnik, Fotografie und Collage. Als Aquarellist sieht er sich ja am liebsten. Aquarelltechnik und Häuserschluchten sind für ihn kein Widerspruch. Seine frühen poetisch verfließenden Landschaftsaquarelle bleiben kostbare Glanzleistungen dieser Kunstgattung, auf die sich Salzmann aber nie festlegen wollte. Das urbane Leben hat Salzmanns Schaffen immer wieder inspiriert.

Über den Dächern von Paris und anderen Städten entstand so manches Spitzenaquarell, das die unverwechselbare Handschrift Salzmanns aufweist und vor allem durch Salzmanns Scharfsicht und seinen Sinn für abstrakte Strukturen besticht. Von Kennern werden besonders die Kohlezeichnungen geschätzt, von denen eine geradezu mystische Raumstimmung ausgeht. Auch sie dürfen in der Ausstellung nicht fehlen.

Bereits seit den siebziger Jahren widmet sich Salzmann auch der Fotografie, die er viele Jahre später in seine Arbeit integrierte, indem er sie mit anderen Techniken koppelte. Das Kombinieren verschiedener Medien beschäftigt und inspiriert Salzmann heute mehr denn je: Aquarell, Fotografie, Druckgrafik, Zeichnung und Collage verbinden sich und verschmelzen, manchmal bis zur Ununterscheidbarkeit.

Die letzte Werkschau Gottfried Salzmanns im Salzburg Museum (damals noch Museum Carolino Augusteum und am alten Standort) hat vor zehn Jahren stattgefunden. Bei allen Veränderungen im Detail: Ein verbindendes Charakteristikum ist bis heute die atmosphärische Grundnote seiner Arbeiten geblieben, die der Titel der Ausstellung zum Ausdruck bringen soll. Luftigkeit und Transparenz, schwerelose Bewegtheit im Raum, Unbegrenztheit des Blicks – „der Betrachter hebt unweigerlich ab von der Realität, die ihm dennoch in massiven Dosen vor Augen geführt wird“, wie es Nikolaus Schaffer beschreibt. (Salzburg Museum)

Gottfried Salzmann: Atmosphären. Bis 6. Oktober in der Kunsthalle des Salzburg Museums – www.salzburgmuseum.at
Zeitgleich zur Ausstellung erscheint im Prestel-Verlag unter dem Titel „Gottfried Salzmann. Cityscapes - Stadtlandschaften – Paysages urbains“ ein umfassender Katalog (232 S.). Rund 380 Abbildungen zeigen Salzmanns Sicht auf „Megacities“ von Paris bis New York. (€ 51,40)
Im Shop des Salzburg Museum werden anlässlich der Sonderausstellung drei original Salzmann-Grafiken zum Verkauf angeboten. Die Grafik „Jubiläumsedition New York“ (à € 120,-), die eigens für das Salzburg Museum angefertigt wurde, sowie die beiden Farbradierungen „Himmel über Rouen“ und „Vorfrühling im Mittelmeer“ (à € 94,-). Ein Extra für Kenner: Eine exklusive Kassette mit sechs Radierungen mit dem Titel „Passagen“ (à € 640,-) aus dem Verlag Hans Widrich.
Bilder: Salzburg Museum