Ironisches Zitat und liebevolle Hommage
FOTOHOF / VOLLMER / ROX
09/03/21 Ein Schwarzweißfoto im Stil der 1920er Jahre, eine Gabel am Tellerrand, tiefschwarze Schatten. Eine Farbfotografie, ein Zwiebelmännchen mit einem Löffel in der Hand: Die Eingangswand im Fotohof spannt den Bogen zwischen den Arbeiten des Deutschen Wolfgang Vollmer und des Amerikaners Henry Rox. Es geht um „ironisches Zitat“, die „liebevolle Hommage“ und die Frage nach dem Original.
Von Hildegund Amanshauser
Der Fotohof zeigt zwei Werkgruppen des Kölner Fotografen und Publizisten Wolfgang Vollmer und gibt einen Einblick in das Oeuvre des von ihm entdeckten und gesammelten amerikanischen Fotografen Henry Rox. Auf der Eingangswand der Ausstellung stehen einander also eine Arbeit von Wolfgang Vollmer und von Henry Rox gegenüber.
Im großen Raum sehen wir die „Meisterwerke der Fotokunst“ von Wolfgang Vollmer. Man könnte denken, Vollmer wäre ein Sammler von fotohistorischen wertvollen Originalaufnahmen. Die Rahmen sind edel, zum Teil an die Wand geschraubt wie im Museum. Die Beschriftungen verwirren aber nach einiger Zeit, wie auch die Fotos, die einem als fotohistorisch halbwegs versierte Betrachterin zwar bekannt, aber doch anders als die „Masterpieces“ vorkommen.
Zum Glück stellt der Fotohof eine Sammlung von Abbildungen einiger Originalwerke, die Wolfgang Vollmer variiert, zur Verfügung. So ist es nicht allzu schwer, das „Original“ mit den Mutanten – so ist man versucht ganz zeitgemäß zu sagen – in Verbindung zu bringen. Wir können also André Kertész’, Fork, 1928, mit der Arbeit am Anfang der Ausstellung vergleichen.
Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Zacken der Gabel im „Original“ nach unten zeigen. Lustig sind die „Flugobjekte“ aus den 1970er Jahre, die in Anordnung und Gestalt an Bernd und Hilla Bechers Typologien oder Abwicklungen erinnern. Lustig deshalb, weil die architektonischen Landmarks aus den Zechen des Ruhrgebiets bei Vollmer zu fliegen beginnen.
Zum Schmunzeln ist auch ein Bild nach Manfred Willmann, in dem das „ländliche“ Szenario Willmanns zu einer Mozartkugelverkostung verkommt. Es trägt den Titel Die Welt ist schön, so wie eine frühe Ausstellung Willmanns. In einem abgetrennten Raum findet sich Vollmers Serie überlebt. Die Fotos zeigen Vollmer, der berühmte Porträts nachstellt, seien es Fotos von bedeutenden Männern, die bereits gestorben sind, wie Andreas Baader oder Martin Kippenberger, seien es bekannte kunsthistorische Gemälde. So fotografiert er sich in einer Rückenansicht als Jan Vermeer, wie dem Bild Die Malkunst im Kunsthistorischen Museum in Wien entsprungen.
Wolfgang Vollmer treibt ein Verwirrspiel mit Fotografien und deren Beschriftungen. Er fragt damit: Was ist ein Original, warum erkennen wir es als solches? Wie entsteht die Aura des Originals, hängt diese mit der Rahmung, der Beschriftung oder der Institution, die es sammelt und ausstellt zusammen? Oder kommt es auf die Kenntnisse der Betrachterinnen und Betrachter an?
Kunsthistorisch gesehen spinnt er damit die Appropriation Art (Aneignungskunst), die als Teil der Kontextkunst in den späten 1980er Jahre in New York begann, weiter. Die „Meisterwerke“ erinnern stark an Arbeiten wie After Walker Evans von Sherrie Levine oder die berühmten Untitled Filmstills von Cindy Sherman. Cindy Sherman taucht auch – man könnte sagen als explizite Referenz – auf einem Foto in der Ausstellung auf.
Es scheint kein Zufall, dass Vollmer an Henry Rox Gefallen findet. Seine Obst- und Gemüsemännchen der 1950er und 60er Jahre verlebendigen Lebensmittel. Witz und Ironie und auch eine gewisse Verspieltheit kennzeichnen sie. Sie spinnen damit nicht nur Giuseppe Arcimboldo weiter, sondern erinnern auch an manche Arbeiten von Fischli und Weiss.
Insgesamt eine witzige und vielschichtige Ausstellung, in der das eigene kunsthistorische Wissen auf dem Prüfstand steht. Dass man aber Henry Rox noch nicht kannte, sollte einen nicht verdrießen, er war bisher in Europa tatsächlich völlig unbekannt.