Geschichten, Realität und Neurosen

SALZBURGER KUNSTVEREIN / JAHRESPROGRAMM

21/01/20 Die Ausstellungen im Kunstverein werden sich mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Problemen befassen. Etwa mit weltweit „verblassender Demokratie“ oder „dem Versagen des historischen und des individuellen Gedächtnisses“. Schreiben und Umschreiben von Geschichte sind ebenso Thema, wie Migration.

Von Heidemarie Klabacher

Was zunächst klingt, wie der Vorlesungsplan eines Semesters Politikwissenschaft oder Gender-Studies, offenbart doch ein durchaus griffiges und ambitioniertes Ausstellungsprogramm. „Ein übergeordnetes humanistisches Ethos durchzieht das gesamte Programm und in der zweiten Jahreshälfte wird ein besonderer Schwerpunkt auf Malerei und Zeichnung liegen.“ Séamus Kealy, Direktor und Geschäftsführer, und sein Team präsentierten heute Dienstag (21.1.) das Jahresprogramm im Kunstverein.

„Wir beginnen das Jahr mit zwei Wanderausstellungen von Gernot Wieland im Großen Saal und Declan Clarke im Kabinett sowie einer Installation von Omer Fast in der Ringgalerie. Im Frühjahr zeigt Khalil Rabah seine Werke im Rahmen einer Wanderausstellung. Die  Sommerausstellungen präsentieren Megan Rooney, Camille Holowka und das 'Sunset Kino'. Im Herbst zeigen wir eine Gruppenausstellung mit Zeichnungen sowie eine Ausstellung von Luise Schröder, der Gewinnerin des SpallArt Prize Salzburg 2020.“ Enden wird das Jahr im Kunstverein mit der traditionellen Jahresausstellung, die als Kooperation zeitgleich auch im Musemspavillon der Stadt Salzburg stattfindet, und der Ausstellung von Marlies Pöschl, der Gewinnerin des Förderpreises 2019.

Gernot Wieland, geboren 1968, ist ein in Berlin lebender österreichischer Künstler, dessen Filme, Zeichnungen, Lecture Performances und spielerische Installationen sich mit den Bedingungen von Fakt und Fiktion auseinandersetzen, die oft zwischen Traumlandschaften, Geschichten, Realität und Erinnerungsneurosen changieren: „Gernot Wielands Arbeiten entwirren den Stillstand der Vergangenheit“, sagt Séamus Kealy. Der Künstler fragt nach unseren individuellen Geschichte oder untersucht, „wie wehmütige Träumereien über Nostalgie die Sprachebene unseres imaginären Ichs fixieren oder verdrängen“. In Wielands Filmen vibriere die Erinnerung voll Kraft und Lebensfreude 2019 gewann Gernot Wieland den EMAF Medienkunstpreis der Deutschen Filmkritik beim European Media Art Festival. Seine Ausstellung im Kunstverein beginnt am 8. Februar.

Am gleichen Tag öffnet im Kabinett im Künstlerhaus die Schau The Museum of Broadcasting and Loneliness von Declan Clarke: Hier geht es um die Geschichte der elektronischen Kommunikation, ihre Entwicklung während des letzten Jahrhunderts und um die Entwicklung dieses Erbe in einem sich unstet sich entwickelnden Europa: „Während die Menschheit ihr Wissen über das Solarsystem und das Universum immer weiter vorantreibt, stellt sich die Frage: Was ist die Bedeutung des Sendens einer Nachricht und im Gegenzug des Empfangens dieser Nachricht?“ Im Zentrum des Museums steht denn auch der Film Saturn and Beyond über die Geschichte des transkontinentalen Rundfunkwesens. Damit verbunden wird die Tatsache des „exponentiellen Anwachsens von Demenz in Nordamerika und Europa“. Ein Kabel hat die beiden Kontinente zunächst verbunden. Kommunikation wird seither technisch immer rascher und komplexer. Aber im menschlichen Gehirn aber gibt es Grenzen der Ausdrucksfähigkeit und des Verständnisses.

Der palästinensische Künstler Khalil Rabah, bekannt für seine Umschreibung und Erfindung von Geschichte, stellt ab 9. Mai im Kunstverein aus: Eines der Themen des ausgebildeten Architekten ist Migration. Ihm gehe es um eine alternative Visionen, „die die Wahrnehmung und die Erwartungen der Öffentlichkeit in Frage stellt“. Khalil Rabah wird eine neue Installation im Großen Saal des Kunstvereins schaffen, die zusammen mit  Videoarbeiten im Kabinett präsentiert wird. Seine Ausstellung ist Teil einer großen internationalen Wanderausstellung. „Unser Kooperationspartner oenm (österreichisches ensemble für neue musik) lässt sich von seiner Arbeit inspirieren und organisiert im Juni an einem Wochenende ein Musikfestival im Künstlerhaus“, beschreibt Séamus Kealy das weitreichende Projekt.

Die Künstlerin Megan Rooney wurde in Südafrika geboren, ist in Kanada aufgewachsen und lebt heute in London. Sie verbindet monumentaler abstrakter und intime gegenständlicher Malerei mit Bildhauerei, Tanz und Performance. Bekannt ist sie für ihre großformatigen Wandmalereien: „Als Artist-in-Residence 2020 wurde sie eingeladen, den Großen Saal sowie die Ringgalerie, die ab 25. Juli ein Jahr lang zu sehen sein wird, zu gestalten.“ Séamus Kealy betont: „Zusammen bilden diese zwei Ausstellungen die größte Einzelpräsentation, die je im Salzburger Kunstverein zu sehen war.“

Das Jahresprogramm im Detail - www.salzburger-kunstverein.at
Bilder: Kunstverein