Die Roboter, wir und was wir wirklich scheinen
ARGEkultur / OPEN MIND FESTIVAL
10/11/15 Wer schon beim Gedanken an den Behandlungsstuhl beim Zahnarzt Schweißperlen auf der Stirn hat – der kann ab Donnerstag (12.11.) in der ARGEkultur noch ordentlich Thrill drauflegen. „Frankenstein“ heißt das neue Robotertheater von gold extra. Damit beginnt das diesjährige Open Mind Festival (12.-22. November).
Von Reinhard Kriechbaum
In einem Pressegespräch heute haben Sonja Prlić und Karl Zechenter schon mal zwei ihrer Prototypen auffahren lassen. Die Idee für „Frankenstein“ in der Version von gold extra: „Was wäre, wenn nicht Menschen Roboter bauen, sondern die Maschinenwesen zu Schöpfern von Menschen werden?“ Weil sich die Salzburger Künstlergruppe – so Sonja Prlić – „für ein bestimmtes Thema jeweils die passende mediale Umsetzung“ suche, ist es also „Der ultimative Krankenhaus-Musical-Thriller“ geworden. In einer Welt ohne Menschen sind Krankenhaus-Roboter logischerweise ziemlich unterbeschäftigt. So kommen sie auf die Idee, sich ihre Kundschaft selbst zu basteln. Wer die Leute von gold extra kennt, der weiß, dass sie nicht nur scharf denkende, sondern auch humor- und ironiebegabte Humanwesen sind. „Manches, was wir uns ausgedacht haben, gibt es in Wirklichkeit schon“, sagt Karl Zechenter versonnen., „vor allem in Japan“. Aber er versichert auch, dass gold extra Herr über die selbst gebastelten Roboter ist: „Derweil pflegen wir sie.“ Auch das lässt hoffen.
Cornelia Anhaus ist wieder die Kuratorin des Open Mind Festivals. Es ist immer ein Produktions-Schwerpunkt der ARGEkultur im Jahrlauf. Diesmal hat Cornelia Anhaus das Thema „Ich ist eine Andere“ gewählt. Es geht im weitesten Sinn um Identitätszuschreibungen und -verschleierungen. Trotz des weiblichen Mottos sind wahrscheinlich auch Männer im Publikum gern gesehen. Das Geschlechtliche wird überhaupt mehrfach angesprochen und hinterfragt: etwa bei einem „Trans*/Inter*Thementag“ (21.11.), wo es um geschlechtliche Identität, Vielfalt, Anerkennung und Entpathologisierung geht und man mithin „über den Zweigeschlechterrand blicken“ soll. Der Tag mit Vorträgen und Workshops mündet abends in die Performance „Trans Gender Moves“ mit Gin Müller und Gorji Marzban.
Ins Frau- oder Mannsein spielt auch eine Fotoausstellung hinein: Die Bulgarin Pepa Hristova hat in Nordalbanien den „Schwur-Jungfrauen“ Besuche abgestattet. Die übernehmen quasi als Männer honoris causa das Kommando in der Sippe, aber diese Frauen müssen dafür sexueller Betätigung abschwören. Sehr fremdartige Sitten eigentlich ganz nah am Rand der EU...
Mit Kulturunterschieden hat auch eine Tanz-/Theater-Performance zu tun, für die eine seit drei Jahren in Salzburg lebende junge Inderin verantwortlich zeichnet. Nayana Bhat ist als SEAD-Studierende nach Salzburg gekommen. „A Duet. Ein Solo.“ soll „ein humorvolles Performance-Experiment über Identitätskonstruktionen und kulturelle Missverständnisse“ werden. Mitbeteiligt an diesen Missverständnissen ist der Salzburger Licht-Designer Robert Herbe. Worum es Nayana Bhat vor allem geht: um die kleinen Differenzen zwischen (durchaus vorgeprägter) Fremd-Wahrnehmung und dem, was das jeweilige Gegenüber so leicht übersieht – den Menschen selbst in all seinen Eigenheiten.
Die Pop-Ikone Dillon schließt das Open Mind Festival ab, mit ihrer, wie es den Presseunterlagen so schön heißt, „angenehm unperfekten und wahrhaftigen Stimme“. Es ist das Salzburg-Debüt der gebürtigen Brasilianerin.