Liebe führt in den Untergang

LANDESTHEATER / ROMEO UND JULIA

06/10/15 Statt Balkon eine bewegliche „Mauer“. Statt Florett und Degen scharfe Messer. Höfische Kostüme gibt es nur beim Maskenball. Kleine und größere Obszönitäten in Wort und Geste zeugen von Werktreue. Übersetzt und inszeniert hat den Klassiker von William Shakespeare Intendant Carl Philip von Maldeghem.

Von Heidemarie Klabacher

Mitreißend eröffnet das Landestheater die Schauspielsaison mit der größten Lovestory der Literaturgeschichte. Der Tod von Romeo und Julia ist der Kollateralschaden in einem überzeitlich zeitlosen Bandenkrieg.

Die Gefolgsleute der Monatgues und Capulets kann man im Getümmel leicht verwechseln. Im Landestheater tragen sie schwarze Leiberl mit Namen oder Funktion drauf, die in einen locker angedeuteten „Backstage-Vorspiel“ verteilt werden. So hält man nicht etwa den Grafen Montague plötzlich für den Diener des Grafen Capulet: Walter Sachers Doppelrolle hat Witz. Zwei Mädels zanken eingangs heftig um das Leiberl mit „Julia“ drauf. Elisa Afie Agbaglah muss sich schließlich mit der Rolle der Rosalinde bescheiden.

Die natürliche und liebenswürdige Julia der Produktion ist Nikola Rudle. Ihr zornig-verletzlicher Romeo ist Tim Oberließen. Ein Liebespaar fast von Heute, mit dem zu hoffen und zu bangen den ganzen Abend lang eine große Freude ist.

Carl Philip von Maldeghem hat das Shakespeare-Drama selber in ein modernes Deutsch übertragen. Er hat sich den einen oder anderen Scherz erlaubt, wie etwa den boshaften Stich gegen den „Genderwahn“ in der Sprache, ist sonst aber nah’ am Text geblieben und hat denn auch die vielen Anzüglichkeiten nicht verschämt gestrichen. Carl Philip von Maldeghems Übertragung fließt elegant und - bei aller scheinbaren zeitgeistigen Eckigkeit - sehr poetisch.

Umgesetzt wird diese Textfassung von einem in allen Rollen typengerecht besetzten und sprechtechnisch hervorragend disponierten Ensemble. Romeo und Julia sind ja quasi „nur“ das Glanzlicht. Getragen wird das Stück vom gleichberechtigten Zusammenwirken einer ganzen Schar eigenwilliger und eigenständiger Charaktere.

Christoph Wieschke gibt von der Videowand herab den Grafen Escalus und, mit Priesterkragen, den Bruder Lorenzo, einen humorvollen Seelsorger, dem seine Schäflein ein am Herzen liegen.

Clemens Ansorg gibt mit viel Tolpatschigkeit den Grafen Paris, der mit Casetten-Recorder und Karaoke-Gesang der angebeteten Julia seine unerwünschten, leicht Französisch angehauchten, Gefühle offenbart: „Ganz Paris träumt von der Liebe“ oder „No, je ne regrette rien“

Walter Sachers als Graf Montague, Marcus Bluhm und Julienne Pfeil als Graf und Gräfin Capulet sind untadelig. Die jungen Leute, Gregor Weisgerber als Mercutio und Hanno Waldner als Benvolio, transportieren ihre vielen Anzüglichkeiten mit Lust und führen eine flotte Klinge.

Der Tybalt des Marco Dott hat unerwartete Tiefe, er ist nicht nur ein eleganter Haudegen, er scheint an verborgenen Selbstwertproblemen zu kiefeln. Sofie Gross als Julias Amme steht als Quasseltante fürs Komödiantische. Doch selten hat ihr Rat an Julia, ihren verbannten (Ehemann) Romeo sein zu lassen und doch am Donnerstag einfach den Grafen zu heiraten, so schockiert wie aus dem Mund dieser harmlosen Naiven.

Bühne und Kostüme von Stefan Mayer drängen sich nicht vor, sie unterstützen vielmehr stimmig das zurückhaltende aber doch eindeutig gegenwärtige Personenkonzept von Regisseur Carl Philip von Maldeghem. Die Produktion eignet sich hervorragend für Schulklassen, gebärdet sich aber keineswegs anbiedernd als Jugendproduktion.

Aufführungen bis 9. März 2016 - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT / Anna-Maria Löffelberger