Von Höllenhunden und Chrystenmenschen
LANDESTHEATER / KOLLEGIENKIRCHE / MYSTERIENSPIEL
05/10/15 Wir melden uns zurück aus einer Religionsstunde. Im Gegensatz zu den meisten einschlägigen Aktionen im Rahmen des „Offenen Himmels“, von dem herab es sonst laientheologisch-sanfte Tautropfen rieselt, wird in der Kollegienkirche geschrien und krakeelt, dass es eine Wonne ist.
Von Reinhard Kriechbaum
Gesungen wird natürlich auch, und das Besinnliche darf bei einem Mysterienspiel sowieso nicht fehlen, eben so wenig wie die Personifikation des Bösen, ein eleganter Engel oder ein temperamentvoller Spielansager und Moral-von-der-Geschicht-Verkünder. Im „Salzburger Spiel vom verlorenen Sohn“, am Sonntag (4.10.) vom Landestheater in der Kollegienkirche uraufgeführt, ist also alles da, was die künstlerische Kreuzgang- und Kirchenbespielung in der heilen Welt des bayerisch-salzburgischen Volksbarock so recht heimelig macht. Dem Stück mit genuin eingeschriebenem Retro-Charme darf man zwischen Würzburg und Bischofshofen viele Produktionen vorhersagen.
Der 84jährige Hellmuth Matiasek, vor Urzeiten in Salzburg Theaterintendant, 1983 bis 1996 Gärtnertortheater-Chef in München, ist also in die eschatologische Phase eingetreten. Aus „wieder gefundenen alten Quellen aus dem XVI. Jahrhundert“ hat er dieses Mysterienspiel „neu geschrieben“. Er verlegte die biblische Story in die Zeit der Salzburger Bauernkriege. Der vom „Widergeist/Spitzbuben“ verleitete jüngere Sohn verprasst sein Geld also nicht nur mit leichten Mädchen, er schließt sich als Bankrotteur auch noch den Sympathisanten von Thomas Müntzer an, setzt damit aufs falsche Pferd. Da kann man nun wirklich katholisch werden und als geläuterter Sohn wieder heim kehren.
Matiasek hat also bearbeitet, ergänzt, eingefügt. Christen sind zu „Chrystemenschen“ geworden und der Tot zum „Todt“. Letzterer als geigenspielende „Schöne Frau“ (Julienne Pfeil). Der Verlorene Sohn ist Clemens Ansorg, sein Verführer Axel Meinhardt als „Widergeist“. Walter Sachers muss sich als Vater und als Wirt mit dem selbstbewussten Jungen herumschlagen und Sascha Oskar Weis hat als Spielmacher viele Möglichkeiten, mit großer Geste Schwung rein zu bringen.
Der verlorene Sohn geht nicht nur dem Vater flöten, sondern auch der ihn liebenden Magd, die ihm in einigen harfenbegleiteten Gesangsnummern nachtrauert. Eine schöne Rolle für Ayşe Şenogul.
Immer wieder fragt man sich, ob dieser denn doch sehr schlichte Text im Laienspielbereich nicht besser aufgehoben wäre als im professionellen Theater, wo das Gefälle zwischen Inhalt und Umsetzung dann doch problematisch groß ist.
Der musikalische Anspruch der Komposition von Wilfried Hiller, einem der Altmeister der angewandten Tonkunst, spricht letztlich dagegen. Da braucht es schon gute Musiker an Geige, Harfe, Violine und Schlagwerk, und auch der Chorpart will bewältigt sein. Der stolze hundertzehn Kehlen starke „Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor“ unter der Leitung von Wolfgang Götz kann sich da bewähren und ist auch maßvoll in die Szene eingebunden. Die Regie von Michael Bleiziffer stützt passgenau die hehren katechetischen Absichten.
Nicht vorenthalten sei der Schlusschoral, wo uns versichert wird, dass der „Höllenhund“ auf diesem „heylgen Grund“ zwar „wüthe“, aber wenig ausrichte. „Aber schändlich muss vergehn, / was er selber dichtet.“ Halten wir die Daumen, dass also der Höllenhund nicht zum Schutzpatron alternder Theaterdichter wird.