Altern – harte Bandage für Miss und Mister Universum

SCHAUSPIELHAUS / DIE DAMEN WARTEN

22/05/15 „Dass sie neben unserer Harnöffnung in die Welt gekrochen sind, werden uns die Männer nie verzeihen.“ Tatsächlich leiden die Männer aber daran, dass ihre Mütter sich damals beim Wickeln über ihr herziges Dings lustig gemacht haben. „Es ist nicht möglich, im Umgang mit Frauen etwas richtig zu machen.“

Von Heidemarie Klabacher

„Die Damen warten“ von Sibylle Berg ist eine einzige Zitatensammlung. Jeder Satz ist bös und gemein und geeignet fürs Stammbuch der Lieblingsfeindin oder des Ex-Lovers. Nicht wenige Sätze transportieren mit gut gehandhabter Übertreibungskunst auch Ironie.

Die Damen warten also. Und zwar auf kostenlose Behandlung und Typberatung im Schönheitssalon, ein Geschenk der Regierung anlässlich des Frauentages. Die vier Damen könnten unterschiedlicher nicht sein, von Typ und Lebensgeschichte her, und sie schenken einander trotzdem nichts. Wie Frauen halt so sind. Frustriert. Fies.

Da ist die junge Anwältin, attraktiv, sexy, einsam, bulimisch, die ewige nicht geheiratete Geliebte: „Ich hasse alle Heinze und ihre Ehefrauen, die alle Bettina heißen.“

Die Ehefrau und Mutter in der Runde heißt aber Claudia, ein reizendes Frauchen, auch ein wenig einsam trotz der beiden leiterhohen Söhne. Noch mehr leidet die Alleinerzieherin an ihrer Testosteron strotzenden Leibesfrucht und deren Sperma-Spuren, die überall, besonders in den Socken, zu bizarren klebrigen Skulpturen erstarren... Sorry, ein wenig drastisch, aber das diesbezügliche Lamento hat die Dimension der Klage einer griechischen Tragödin.

Die Wissenschaftlerin und Pathologin scheint von Sorgen beziehungsmäßiger und sexueller Art am wenigsten betroffen zu sein, hat für allfällige Berührungsbedürfnisse eine ledergepolsterte Maschine entwickelt und für Menschen im allgemeinen nicht viel übrig: „Ich verstehe die Natur nicht, die soviel Material verschleudert, um Menschen zu produzieren.“ Ihre Forschungsarbeit wurde 25 Jahre lang ignoriert, den Preis dafür hat ein Kollege posthum bekommen: „Besser ein toter Mann, als eine Frau.“ Wenn sie von ihren Präparaten spricht, wird ihr Blick weich.

Und dann gibt es noch den – zunächst lebenden – Mann: Kosmetiker, Masseur, Fitnesstrainer, Stilberater, Hair-Make-Up-Artist, Hormonexperte, Therapeut, in einem früheren Leben katholischer Pfarrer, Marienverehrer, noch immer bei der Mama wohnend, behauptend, nicht schwul zu sein. Hat aber auch so seine Probleme.

Martina Dähne, Susanne Wende, Ute Hamm und Bernadette Heidegger verleihen den vier Damen und ihren seelischen und vor allem auch leiblichen (Cellulite) Nöten für Augenblicke immer wieder menschliche Tiefe unter der grellen Slapstick-Oberfläche. Magnus Pflüger ist der Mann. Er weiß seinen tiefen Hass auf alles Weibliche unter viel Gewusel und Gefummel mit Nagellack, Lockenwicklern und Sektgläsern zunächst gut zu verbergen.

Caroline Richards hat Regie geführt bei der Österreichischen Erstaufführung von Sibylle Bergs „Die Damen warten“. Eine hervorragende Personenführung lässt die grelle Frauen-Sorgen-und-Männer-Nöte-Geschichte beinahe unmerklich in die noch grellere Farce kippen. Ein drastisches Vergnügen.

„Das Herrliche an unserer Zeit ist, dass wir die Chance haben, berufstätig sein zu dürfen, wenn wir uns anderwertig nicht verwirklichen können.“ Es ist also doch etwas besser geworden seit Simone de Beauvoir, die mit einem besonders trübsinnigen Stück Text im Programmheft vertreten ist (allerdings auch mit einem Existentialisten liiert war). Eine Kolumne von Sibylle Berg rückt die Dinge ein wenig zurecht: „Altern bescheuert zu finden, ist kein Privileg der Frauen.“ Aber, liebe Programmheftredaktion und Dramaturgie, Sibylle Bergs Buch „Ende gut“ wird „zur Zeit“ nicht von Michael Glawogger verfilmt. Der Filmemacher ist am 22. April 2014 bei Dreharbeiten in Liberia verstorben.

Die Damen warten – Aufführungen im Studio bis 24. Juni – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: SSHS/Gregor Hofstätter