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Humor-Management

SCHAUSPIELHAUS / YELLOW LINE

12/01/15 Wenn eine Kuh vom Himmel fällt und ein Fischerboot zum Sinken bringt – haben dann die Tierhalter und ihr Herden-Management völlig versagt? Oder die Spezies Rind als solche? Aber so ist es wohl: Es gibt immer wieder einzelne Ausreißer, die partout das Unmögliche wollen. Im Tier- und im Menschenreich.

Von Reinhard Kriechbaum

Für die bayerische Kuh Yvonne ist das Ausbüchsen in den Individualismus nicht so gut ausgegangen, konnte man vor ein paar Jahren in Zeitungen landauf, landab lesen. Darüber, ob die luftens über Bord gekippte Kuh eine solche oder bloß eine Zeitungsente war, scheiden sich die Geister. Tatsache ist: Wenn Menschen scharenweise in die Wellness-Oasen pilgern oder in Reih und Glied zum All-Inclusive-Urlaub in einem von Zäunen abgeschirmten Tourismus-Reservat irgendwo in Nordafrika antreten, unterscheiden sie sich wenig von einer Kuhherde. Und motzende Individualisten im Club Med sind ungefähr so rar wie Kühe, die vom Himmel fallen.

Aus solchen Partikeln haben Charlotte Roos und Juli Zeh ein Stück gebaut. „Yellow Line“ heißt das Ergebnis dieses Baustein-Spiels im Teamwork, dem man anmerkt, dass über die Jahre viel demokratiepolitisches Bewusstsein angekommen ist im lange bewohnten Jugendzimmer deutscher Dramaturginnen. Es hat sich dort offenbar leichter durchgesetzt als der Humor, den die beiden genau vierzigjährigen Autorinnen noch nicht ganz so entschieden verinnerlicht haben. Eine Farce will das Stück wohl sein, aber am rechten Aufdrehen hindert die ebenso in Fleisch und Blut übergegangene Political correctness. Wenn zwei miteinander den Holzhammer (Humor) und die Keule (Moral) schwingen, bleibt wenig Chance für Leichtfüßigkeit. Da kann sich das ambitionierte Schauspieler-Grüppchen im Schauspielhaus Salzburg noch so sehr die Seele aus dem Leib spielen.

Paul (Simon Ahlborn) ist der Individualist im Menschenreich: Den All-inclusive-Urlaub verkraftet er ganz schlecht, bei der Zollkontrolle auf der Heimreise hat er die Reglementierungen endgültig satt, übertritt einfach so die gelbe Linie im Security-Bereich. Damit kommt das Stück zum Titel und er in die Bredouille. Kann ein Selbst-Denker wie er auf Verständnis hoffen? Bei seiner Frau Helene (Christiane Warnecke) jedenfalls nicht. Sie ist ein zwischen ihrem Künstlertum (Performance, Libyen-engagiert) und der Freizeitlust als Nordafrika-Urlauberin eigenartig gespaltenes Wesen. Ein witziger Typ ist Olaf Salzer als Fischer Asch-Schamich. Die Sache mit der durch eine Kuh versenktem Fischerboot glaubt ihm, den der Unglücksfall an die europäische Küste gespült hat, natürlich keiner. Und dass einer freiwillig zurück will in sein Dorf nach Nordafrika, das nimmt ihm erst recht keiner ab.

Jede und jeder im Ensemble übernimmt verschiedene Rollen. Ute Hamm ist einmal Auktionärin, dann Dolmetscherin, Anwältin. Und sie verstärkt zwischendurch die Crew, die auf einem kleinen Fahrband schrittlos daher rollt und über das moderne Kuh-Management doziert („Zwang ist out, Management ist in“). Sebastian Martin Rehm ist neben vielem anderem Frontex-Wächter und Zehen-Masseur im Wellnesstempel. Christiane Warnecke schlüpft gegen Ende in die Rolle eines Piloten, der des Auto-Piloten überdrüssig ist und endlich wieder selber fliegen möchte. Immerhin seelenverwandt mit Paul und seinen Freiheits- und Autonomieträumen, um die das ganze Stück etwas umständlich kreist.

Barbara Pfyffer hat die schlichte Dekoration im Schauspielhaus-Studio gemacht: projektionstaugliche Wände und eine Hundehütte. Marion Rothhaar war die Regisseurin, die sich mit dem beschaulichen Rhythmus des Theatertexts offenbar voll identifizieren konnte: Die Aufführung wirkt wie das Stück als solches festgebissen an der didaktischen Idee.

Aufführungen bis 15. Februar im Studio des Schauspielhauses – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Barbara Pfyffer & Manuela Seethaler

 

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