Schon beim ersten Satz den Text nicht mehr gewusst

HINTERGRUND / THOMAS BERNHARD INSTITUT

13/11/13 „Wenn uns nicht erlaubt wird, das Notlicht abzudrehen, spielen wir nicht. Dieser Ort ist eine Strafe Gottes, dafür habe ich Akademien besucht und bin mit dem Kreuz am goldenen Band ausgezeichnet worden…“ So klagt Buscon in Thomas Bernhards „Theatermacher“. Auch Bernhard selber hat „Akademien“ besucht – nämlich die heutige Universität Mozarteum, die ihre Schauspielabteilung künftig nach dem grandiosen Querdenker benennt.

Von Heidemarie Klabacher

„1955 schreibt sich Thomas Bernhard am Mozarteum, der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Salzburg, ein. Zunächst belegt er Lehrveranstaltungen zu Musiklehre, Musikgeschichte und Gesang. … Im Oktober 1955 besteht er aber auch die Aufnahmeprüfung am Schauspielseminar; auf diesen Bereich konzentriert er in der Folge seine Aktivitäten – er beginnt Schauspiel und Regie zu studieren.“

Das schreibt Manfred Mittermayer, Leiter des Literaturarchivs Salzburg, einer der beiden Intendanten der Rauriser Literaturtage, Literaturvermittler von Gnaden – und als international anerkannter Thomas Bernhard-Experte einer der Herausgeber der großen Thomas Bernhard-Gesamtausgabe im Suhrkamp Verlag.

Die heutige Universität Mozarteum ist also auf der sicheren Seite, wenn sie ihre Abteilung Schauspiel und Regie in einem Festakt am Samstag (16.11.) nach dem namhaften Studenten und Absolventen der ehemaligen „Hochschule“ benennt.

„65 Jahre nach ihrer Gründung wird die Abteilung Schauspiel und Regie der Universität Mozarteum Salzburg nun im reifen Alter ‚getauft’ und nennt sich fortan nach einem ihrer schillerndsten und streitbarsten Absolventen: Thomas-Bernhard-Institut“, heißt es einer Aussendung der von Amélie Niermeyer geleiteten Abteilung.

„Der Name Thomas-Bernhard-Institut wird künftig für eine bessere Sichtbarkeit der Schauspielabteilung sorgen, die in den letzten Jahren ihren Ruf als eine der erfolgreichsten und innovativsten Ausbildungsstätten für Schauspiel und Regie erneuert hat und zuletzt mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wurde.“ Auch wolle man seine – künstlerische und wissenschaftliche - Verbundenheit mit einem der bedeutendsten österreichischen Autoren des 20. Jahrhunderts ausdrücken.

„Im Grunde sei er ans Mozarteum gegangen, um sich nicht völlig zu isolieren, sagt Bernhard später wiederholt. Gelegentlich weis er auch darauf hin, dass ihn das gesellschaftliche Ansehen als Absolvent einer Hochschule gereizt habe – tatsächlich dürfte ihn sein Scheitern im Gymnasium, das einen späteren Universitätsabschluss unmöglich machte, mehr belastet haben, als aus seinen öffentlichen Äußerungen hervorgeht.“ Auch das schreibt Manfred Mittermayer in seiner Suhkamp Basis-Biographie im Kapitel „Als Journalist, als Student am Mozarteum und als Gast auf dem Tonhof 1951-1960“.

Das Theater selber sei für Bernhard aber durchaus auch eine Studien-Motivation gewesen: „An anderer Stelle gibt er an, er habe einfach herausfinden wollen, worum es im Theater gehe, da er (als Journalist, dpk-Anm.) so viel darüber geschrieben  habe.“ Mittermayer berichtet von den Seminaraufführungen der Hochschule, bei denen Bernhard als Schauspieler aufgetreten ist. „Schon damals zeigt sich jene Tücke des Objektes, die in Bernhards Stücken die künstlerischen Anstrengungen seiner Theaterhelden immer wieder zunichte macht. Wie ‚sein’ späterer Regisseur Claus Peymann erzählt, habe Bernhard z. B. als Lessings Chrysander schon beim ersten Satz seinen Text nicht mehr gewusst.“

Im Gegensatz zur Matura (so weit ist es gar nie gekommen) besteht Thomas Bernhard „mit Erfolg“ die Bühnenreifeprüfung am Mozarteum – und zwar am 18. Juni 1957: „Am selben Tag wird ihm die ‚Eignung zur Regieführung’ zuerkannt“, berichtet Mittermayer. Er räumt mit der Legende einer Abschlussarbeit Thomas Bernhards zu Brecht und Artaud auf: Eine solche sei - zur Aufhübschung der Biographie anlässlich des Erscheinens von Bernhards Debütroman „Frost“ – möglicherweise ganz einfach erfunden worden. Tatsächlich geschrieben habe Thomas Bernhard für den Leiter der Schauspielabteilung Rudolf Leisner aber ein Regiebuch über Thomas Wolfes Drama „Herrenhaus“.

Nun jedenfalls gibt sich die Abteilung Schauspiel und Regie der Universität Mozarteum einen neuen klangvollen Namen – und zitiert aus diesem Anlass in ihrer Aussendung den Namensgeber: „Da kann man nichts machen. Sie kriegen einen Namen, der heißt Thomas Bernhard - und den haben sie lebenslänglich.“

Im Anschluss an die Institutstaufe am Samstag (16.11.) mit Bernhard-Experten von Bühne und Wissenschaft (darunter Manfred Mittermayer) folgt die Premiere der Inszenierung „In der Höhe. Rettungsversuch. Unsinn“ – eine Stückentwicklung aus der frühen Prosa von Thomas Bernhard mit Studierenden des dritten Schauspiel-Jahrgangs unter der Leitung von Michael Kalejaiye. Folgeaufführungen gibt es am 17., 23. und 24. November jeweils um 20 Uhr im Theater im KunstQuartier - www.moz.ac.at
Die Zitate stammen aus: Manfred Mittermayer. Thomas Bernhard. Leben Werk Wirkung. Suhrkamp Basisbiographie 11. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006.
Bild: www.moz.ac.at