Die Wurfrichtung ist noch zu bestimmen

HINTERGRUND / BESETZT SALZBURG

30/04/12 „Wir suchen Wutbürgerinnen und Wutbürger“, heißt es auf der Homepage des Salzburger Landestheaters. Damit sind natürlich nicht solche gemeint, die mit Paradeisern in Richtung Bühne zielen. Es soll ein Wurf von Theaterleuten und Publikum in eine gemeinsame Richtung sein.

Es geht bei der zum zweiten Mal stattfindenden Projektwoche von 1. bis 6. Mai darum, den Bürgersinn zu wecken und das eigene Engagement herauszufordern. Oder wenigstens darum, bewusst zu machen, dass ein bisserl mehr Engagement nicht schaden täte. Solches Wachrütteln ist ja eine der edlen Aufgaben des Theaters, doch dürfte sich die Einsicht unterdessen herumgesprochen haben, dass die Kunst allein nicht so furchtbar viel bewirkt. Also wird ein Schulterschluss mit dem Publikum angepeilt.

Im Vorjahr war „Fremde Heimat“ das Thema, diesmal heißt es „Besetzt Salzburg“. Publikum und Theaterensemble sollen zusammen finden und zusammen wirken. „In den USA prangert „Occupy Wall Street“ das ungerechte Wirtschaftssystem an, doch gleichzeitig finden sich auf Transparenten rassistische Parolen und antisemitische Verschwörungstheorien: Es fehlt an klarer Abgrenzung, klaren Positionen“, heißt es auf der Website des Landestheaters. Übrigens sind nicht nur Leute mit unmittelbarer Wut im Bauch angefragt, sondern auch „besonnene und interessierte (Normal)BürgerInnen, die sich mit weltweitem Unrecht und dem Protest dagegen beschäftigen wollen. Spielfreude und Interesse am Thema sind die einzigen Voraussetzungen.“

Beginn und Abschluss des Festivals (am 1. und 6. Mai, jeweils nachmittags) bilden Textcollagen internationaler Reden der Occupy-Bewegung mit Auszügen gesellschaftskritischer Klassiker, von Ensemblemitgliedern des Salzburger Landestheaters vorgetragen. „Spiel des Lebens - Ein Stationenlauf“ ist Mitmach-Theater: „Die Zuschauer begeben sich in eine Art Gesellschaftsspielanordnung. Zug um Zug muss neu reagiert, die Lage neu bewertet werden: Die Zuschauer stoßen immer wieder auf Situationen und Szenen, die einen neuen Blick auf Altbekanntes ermöglichen und aufzeigen, wogegen die Bürger protestieren wollen. Was wird aus unserer Gesellschaft, wenn wir so weitermachen wie bisher? Und was können wir anders machen? Sind wir überhaupt bereit zu protestieren?“ (1., 5. Mai, 19 Uhr)

Im Zelt im Bastionsgarten steht „Nachtasyl“ von Maxim Gorki zur Debatte und in einer szenischen Lesung wird man Albert Ostermaiers dramatischen Text „Erreger“ hören. Da steht ein Börsenmakler im Mittelpunkt, der seinen Job verloren hat und gleichzeitig seine Fähigkeit, zwischen der Virtualität der Börsenmonitore und der Realität des Lebens zu unterscheiden. Zu später Stunde singen Mitglieder des Opernensembles Protestlieder von Bertolt Brecht und Kurt Weill bis zu „Evita“.

Aus Israel kommt das Theater Smadar Yaaron und zeigt englischer und deutscher Sprache die Produktion „Um Muhamad“: Eine ältere israelische Frau trifft in einer virtuellen, interaktiven Begegnung auf eine ältere palästinensische Frau. Beide berichten, wie sie in ihren Mädchenjahren gezwungen waren Flüchtlinge zu sein. Die eine in Europa in den 1940er Jahren, die andere während der Nakba im Jahr 1948. Die Lebensgeschichten der beiden Frauen verschwimmen allmählich und die geschichtlichen Ereignisse gehen ineinander über. (Freitag, 4.5., 19.30 Uhr im Landestheater-Foyer).

Chuntschukaschwili: Das ist nicht der Name eines fernen Ortes, sondern eines Theatermachers ganz in der Nähe. David Chuntschukaschwili hat als 26jähriger seine Heimat Georgien verlassen müssen und lebt seither als Asylwerber in Österreich. Er ist dankbar um jede Möglichkeit, weiter im Theater tätig zu sein. „Für einen Abend gehört die große Bühne nun ihm, aber auch hier: nur bis zum Eisernen Vorhang ...“ Das freie Theaterensemble „ohnetitel“ gestaltet mit David Chuntschukaschwili ein Theater-Tanzprojekt, eine „Studie über das Scheitern und die Macht der Kunst als Strategie des Widerstands.“ (Sonntag, 6.5., 20 Uhr, Landestheater).

Projektwoche „Besetzt Salzburg“ von 1. bis 6. Mai im Landestheater und im Mirabellgarten - www.salzburger-landestheater.at