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Ich bin ein unzertrennliches Paar

KAMMERSPIELE / KOPF ODER ZAHL

17/01/11 „I c h bin Christopher! Christopher – oder Chris, oder Stoffel. Oder doch Christopher? Chris oder Stoffel. Ich bin ein unzertrennliches Paar.“ Auf der karg ausgerichteten Bühne tobt ein mörderischer Kampf im Ringen zweier Seelen in einer Person. „Kopf oder Zahl“, das hoch spannende Stück von Katja Hensel, hatte in der Regie von Marco Dott in den Kammerspiele Premiere.

Von Ulrike Guggenberger

altDer Terror der Angepasstheit an die von außen herangetragenen Anforderungen rivalisiert gegen den Terror innerer Forderungen, die das Ich erhebt. Der Held in „Kopf oder Zahl“ sind zwei.

Regisseur Marco Dott löst die Problemstellung - wie treibt ein solcher Konflikt in einer Person unausweichlich auf eine Katastrophe zu - indem er die innere Stimme in zwei Personen spaltet. Er lässt die Darsteller sehr unterschiedlich agieren, exzessiv den Einen, brav den Anderen. Das gilt auch für ihr Erscheinugsbild.

Der junge Gymnasiast Christopher stolpert über sich und über andere, es zerreißt ihn zwischen der Macht seiner Clique und dem kindlichen Gehorsam seinen Eltern gegenüber. Als einer, der aus dem Knast kommt, scheint er für immer gezeichnet, schon lauern seine Kumpels. Knirschend nimmt er all seinen Willen zusammen, um sich gegen die bedrohlichen Verführungen beider Seiten zu behaupten.

Zwischen den beiden extremen Positionen: angepasst oder revoltierend, scheint für den Protagonisten keine Weichzeichnung möglich, radikal prallen die Welten aufeinander: Christopher & Christopher jonglieren weiße Pappkartons - die Bausteine für das Bühnenbild. Ausstatterin Manuela Weilguni schuf weniger einen soliden Raum, als eine Arena spontan wirkender Lösungen. Utensilien und Materialien werden auf offener Bühne ausgehandelt.

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Nach etwa einem Jahr der versuchten Anpassung spürt Christopher eine tiefe existentielle Leere, die ihn in die Gegenrichtung treibt und in einem Amoklauf enden lässt. Der sensible Bursche hält dem Druck nicht mehr stand. Er rennt gegen verschlossene Türen an, eingesperrt in sich selbst, ausgesperrt von allen anderen.

Das Stück „Kopf oder Zahl“ von Katja Hensel entwickelte sich aus einem Schreib-Workshop mit zypriotischen Jugendlichen in Berlin, es war ein Werkauftrag für das Nationaltheater Nikosia. Aus dieser gemeinsamen Arbeit mit den jungen Leuten bezieht die Erzählung ihre schonungslose Explosivität und Authentizität. Es könnte so gewesen sein. Die Geschichte wird quasi von rückwärts aufgerollt, auf dem Hintergrund der Frage: „Welche möglichen gesellschaftliche Bedingungen gehen einer solchen Tat voraus?“

Tim Oberließen und Peter Marton gelingt in der Regie von Marco Dott ein unter die Haut gehendes Spiel mit bedrückendem Realitätsbezug. Marco Dott bezieht sich mit der "Persönlichkeitsspaltung" spiegelbildlich auf die gegensätzlichen Lebensbewältigungsstrategien der Gesellschaft. Um der Schärfe des Inhalts willen klammert der die Mitte aus.

Weitere Aufführungen bis 9. Mai - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Landestheater/Jürgen Frahm

 

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