Smaragdstadt, bitte klingeln!

LANDESTHEATER / DER ZAUBERER VON OZ

15/11/23 Mit Stroboskoplicht und Bühnennebel wird nicht gespart, und es könnte den jungen Zuseherinnen und Zusehern im Salzburger Landestheater schon den Atem verschlagen, wenn der Zauberer von Oz, der sich am Ende doch nur als Bluffer herausstellen wird, im Zehn-Sekunden-Takt sein Erscheinungsbild wechselt.

Von Reinhard Kriechbaum

Eigentlich ist er ja ein armer Hund, der Zauberer von Oz. Als Ballonfahrer hat es ihn in eine unwirtliche Gegend verschlagen, wo aus allen Himmelsrichtungen gute und böse Hexen dräuen. Aber die dort lebenden Leute haben sich leicht einreden lassen, dass er ein Magier sei – immerhin ist er vom Himmel gefallen. Doch jetzt haben wir jetzt dem amerikanischen Kinderbuch-Klassiker, der jetzt als schmissiges Musical auf die Bühne des Salzburger Landestheaters gekommen ist, vorgegriffen. Hauptfigur ist ja Dorothy aus Kansas, die ein Wirbelsturm hinweggefegt und ins Reich des Zauberers von Oz vertragen hat. Positiver Kollateralschaden der unsanften Landung: Einer der bösen Hexen ist das ebenfalls verwirbelte Haus von Dorothy auf den Kopf gefallen. Die Zauberschuhe der so erlegten Hexe des Westens werden dem Mädchen noch nützlich sein...

Dorothy muss sich nicht allein durchschlagen in der zaubrischen Fremde, denn sie findet rasch Freunde: Die Vogelscheuche ist etwas desorientiert. Kein Wunder, mit lauter Stroh im Kopf. Blechmann hilft seine Ritterrüstung wenig, denn er ist eingerostet. Dorothy macht ihn mit Ölspray wieder flott. Was dem Unglücksritter jetzt noch fehlt ist ein Herz. Und dann taucht auch noch eine Löwin auf, die freilich nicht brüllt, sondern zaghaft miaut wie eine Hauskatze. Es fehlt an Mut.

Verstand, Herz, Mut – mit solchen Ansinnen wäre schon ein echter Zauberer überfordert. Aber der Zauberer von Oz hat Lebenserfahrung, und er weiß, dass Dorothys neue Freunde all dies selbst in sich wecken können, womit die Geschichte ihrem positiven Ende zusteuert. Dorothy landet auch wieder daheim. Wo sie war, fragen Onkel und Tante. „Das glaubt ihr mir nie.“ So unprätentiös kann eine Zaubergeschichte zu Ende gehen.

Im Jahr 1900 hat Lyman Frank Baum Der Zauberer von Oz geschrieben, sozusagen den kleinen Bruder von Alice im Wunderland (Lewis Carroll, 1865). Im englischen Sprachraum Pflichtlektüre in den Kinderzimmern.

Richard Panzenböck (Regie) und die Ausstatterin Geraldine Massing lassen im Landestheater die Hexen vom Schnürboden kommen und die menschlichen Protagonisten im Boden versinken. So schlicht das Bühnenbild, so raffiniert wird die technik eingesetzt. Zu der für diese Aufführung komponierten Musik von Andreas Radovan haben sich Kate Watson und Josef Vesely schmissige kleine Choreographien ausgedacht. Da ist also viel Bewegung und viel raffinierter Bühnenzauber drin – da mag das von virtueller Technik verwöhnte junge Publikum vielleicht sogar staunen, was an Effekten analog möglich ist. Theater kann siegen!

Mit Technik kriegen es Dorothy und ihre analogen Freunde doch auch zu tun. Plötzlich stehen sie vor einer Wellblechwand. Smaragdstadt, bitte klingeln! Eine Kamera kommt von oben gefahren und nimmt die unerwarteten Gäste streng ins Visier. Angst ist übrigens nicht angebracht vor dem Zauberer. „Ist er ein guter Mensch?“, fragt Dorothy die Hexe des Südens. Die Antwort: „Er ist ein guter Zauberer. Ob er ein Mensch ist, weiß ich nicht.“ Es fehlt nicht an liebevoll gezeichneten Identifikationsfiguren, von Leyla Bischoff (Dorothy) über Gregor Schulz (Vogelscheuche), Thomas Wegscheider (Blechmann) bis zur miauenden Löwin von Elisabeth Mackner. Lisa Fertner ist der Zauberer, sie und Martin Trippensee schlüpfen in verschiedene Rollen.

Wirbelige Bewegung, Bühnentechnik, Musik – das ist alles hoch professionell synchronisiert. Entsprechend begeistert die Publikumsreaktion nach der Premiere.

Aufführungen bis 12.Jänner 2024 – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Christian Krautzberger