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Aus der Anderswelt, die unsere ist

SCHAUSPIELHAUS / EIN SOMMERNACHTSTRAUM

22/05/22 Der Vorhang zur Realität fällt nach dem ersten Probetreffen der Handwerker, dann geht es in die irre Welt des Waldes. Dem originalen Wortklang wird auch ein überhöhter Sinn zugesetzt: The Would. Diese Anderswelt funkelt im veränderlichen Glanz von Varieté-Lichtern und beherbergt schrill überdrehte Wesen.

Von Erhard Petzel

In der Ausstattung steht The Would in monumentalen Buchstaben da, als raumgliederndes, übertrumpfendes Zitat originaler Aufführungspraxis. Zur Lichtmagie (Marcel Busà) zaubert die Musik von Roli Wesp, Keyboards, stimmungsvollen Hintergrund und elementare Vertonungen der englischen Lieder. Sein Mann für die Umsetzung, Gernot Haslauer, bespielt zu Kontrabass und Posaune die sphärische Singende Säge. Zu fünft plus Elfenstimme lässt man mit mini-orchestralen Minimal-Events den Klang zum Raum werden.

Vor diesem Hinter- und Untergrund kommt eine explosive Schauspielerei zu atemberaubender Wirkung. Die Verbindung des Bruches in Dies- und Jenseits legen zu den beiden Liebespaaren die Doppelrollen bei Herrscherpaar und Diener. Am deutlichsten wird der Kontrast bei Jakob Kücher, der als Spielleiter Philostrat nichts zu vermelden hat, während er sich als affengleicher Puck zum quirligen Spielmacher aufschwingt. Eine unglaubliche artistische Leistung. Kücher spielt nicht den Puck, er ist es. Doch Jens Ole Schmieder steht ihm nicht nach. Als Theseus scheint er weniger an den Befindlichkeiten von Hof und Volk interessiert als an dem bevorstehenden Sexualakt. Als Oberon wird er zur triebgesteuerten Bestie, homoerotische Andeutungen bei Shakespeare ungehemmt auslebend. Liebe und Sexualtrieb als Verhandlungsmasse des Stückes verstärken so eine spezielle Note im Machtverhältnis von Herrscher und Diener und bei der unterbelichteten Rolle des Streitfalls Kind. Und überhaupt: Shakespeare hält uns sowieso den stets aktuellen Spiegel (über)menschlicher Torheit vor.

Christiane Warnecke wird als Titania sichtlich mehr von der Gier nach aggressiver Dominanz durch den Partner gedemütigt, was letztlich ihre Würde aber nicht erschüttern kann. Da steht sie fast drüber, wenn es auch des musikalischen Reigens gegen die Schmach bedarf. Offen bleibt die leichte Freigabe des Kindes (hier nicht verwesentlicht) nach dem tierischen Liebesakt. Hippolyta hingegen kämpft bis zum Schluss gegen die Dominanz des Siegers an. Magdalena Oettl, Wolfgang Kandler, Johanna Egger und Maximilian Thienen dürfen sich nach den höfischen Auseinandersetzungen im manipulierten Zustand umnachteter Orientierungslosigkeit als schließlich mehr oder weniger gefundene Liebespaare mit der vollen Palette dramatischer Hysterie ausleben.

Ungemein liebenswürdig die Schauspieltruppe der Handwerker. Olaf Salzer als Squenz so unbeholfen wie als Vater Egeus bei Hofe, Marcus Marotte in seiner Traumrolle als Mauer und Löwe, Antony Connor als unwiderstehliche Thispe und Theo Helm als so gehemmt exaltierter wie exaltiert verinnerlichter Zettel.Wie bedeutungsvoll Nebenrollen für ein stimmungsvolles Gesamtbild sind, zeigen Susanne Wende, Bina Blumencron, Johanna Klaushofer und Fabienne Lässer als total überdrehtes Elfengefolge, vor dessen Hintergrund Tatanias Würde besonders erstrahlt.

Nicht nur die Liebe wird durch den Fleischwolf der Fantasie gedreht, womit Shakespeare ein zeitlos gültiges Vexierspiel von Beziehungen entworfen hat. Erstaunlich, wie aktuelle Moden sich in alten Texten wiederfinden lassen, wo sie schon einmal der Lächerlichkeit preisgegeben wurden. Wer denkt bei der Sorge der Handwerker, das Publikum durch grobe Realien der Bühne zu verschrecken, nicht an die empfindlichkeitsgesteuerten Errungenschaften heutiger akademischer Kreise. Der Blick auf ein dramatisches Modell menschlicher Tiefenstrukturen, wie es dieses Stück in der Inszenierung von Robert Pienz drastisch vor Augen führt, steht nach wie vor im Kontrast zu dem, was wir für gesellschaftlich zulässig gelten lassen und immer wieder neu auszudiskutieren haben. Welch ein herrliches Zeugnis menschlichen Geistes, wenn das auf so genussvolle und ironische Weise als perfekte Unterhaltung geschieht.

Aufführungen bis 26. Juni – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Jan Friese

 

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