Immer noch Ignoranz und Wahnsinn
KLEINES THEATER / THEATER.LICHT
19/05/22 Ignoranz und Wahnsinn, die an der Seele des Menschen zerren. Eine Sängern, zur Maschine im Kunstapparat geworden. Kunst und Kultur in der Krise. Im Kleinen Theater Thomas Bernhards Der Ignorant und der Wahnsinnige.
Von Verena Resch
Es gibt wohl kaum Salzburger Kultur-Interessierte, denen bei Der Ignorant und der Wahnsinnige nicht sofort das Stichwort „Notlicht-Skandal“ einfällt. Fünfzig Jahre ist es nun her, dass die Forderung von Thomas Bernhard und Claus Peymann nach völliger Dunkelheit am Ende des Stückes nicht umgesetzt wurde und Bernhard an Festspielpräsidenten Josef Kaut eines seiner bekanntesten Telegramme schickte: „Eine Gesellschaft, die zwei Minuten Finsternis nicht verträgt, kommt ohne mein Schauspiel aus.“ Dieses Jubiläum war der Anlass für das Theater.Licht das Drama zum dritten Teil seiner Heldinnenreise-Trilogie zu machen. Theater. Auch in der Premiere am Freitag (13. Mai) im Kleinen Theater wurde es nicht ganz finster: Hier ist es der Schöpfer höchstpersönlich, der im goldenen Rahmen und beinahe mystisch beleuchtet, während des ganzen Stückes über seine Figuren zu wachen scheint.
Doch zurück zum Anfang. Die Ausgangssituation ist schnell erklärt: Eine Koloratursopranistin tourt um die Welt, um immer und immer wieder als „Königin der Nacht“ aus Mozarts Zauberflöte aufzutreten. Begleitet wird sie von ihrem Vater, dem alkoholsüchtigen Ignoranten (Stefan Fleming), der unter dem Zuspätkommen seiner Tochter leidet.
Ihr zweiter Begleiter ist der Doktor (Stefan Ried), der Wahnsinnige, der über den Künstler referiert, der dazu verdammt ist, sich im Kulturbetrieb zu verkaufen und seine Ausführungen immer wieder mit detailgenauen Schilderungen einer Sezierung unterbricht. Auch im letzten Stück der Heldinnenreisen-Trilogie steht mit der Opernsängerin (Cassandra Rühmling, die auch Regie führte) wieder eine starke Frauenfigur im Zentrum. Besonders viel actionreiche Handlung im eigentlichen Sinne gibt es nicht, was für das jüngere Publikum vielleicht ein wenig ungewohnt sein mag.
Das Thema der innerlich absteigenden Frauenfigur, die verfällt und nur noch nach außen hin erfolgreich funktioniert, ist nach wie vor topaktuell. Verpackt in den beißenden Bernhard'schen Humor und aufgepeppt mit selbstkomponierter Musik – Musik Stefan Ried, Sound Markus Brandt - bot das Ensemble dem sehr überschaubaren Premierenpublikum einen kurzweiligen Premierenabend. Theater.Licht wurde von Cassandra Rühmling und Stefan Ried „Anfang 2020 der herannahenden Krise trotzend gegründet, mit dem Ziel von Salzburg ausgehend lustvolles Theater mit eigens schwingender Note erlebbar zu machen“.
Der Ignorant und der Wahnsinnige – weitere Aufführungen im Kleinen Theater ab Mittwoch (25.5.) – www.kleinestheater.at
Bilder: Kleines Theater / Foto Flausen