Mann-Frau-Unverträglichkeiten vom Feinsten
SCHAUSPIELHAUS / DIE TÜR NEBENAN
13/05/22 Einzelgängerische schwer gebildete Psychologin rechts von der Mitte. Leutseliger Marketingtyp in Sachen Joghurt mit Hang zu lauter Musik. Da gibt es kein Gemeinsames. Da gibt es nur Kampf. Da sucht man in den Gefechtspausen, Tür an Tür mit dem Feind, weiter im Internet nach dem Traum-Menschen...
Von Heidemarie Klabacher
Nach zweieinhalb Jahren „Halb-Rost“ erwache das Haus zu neuem Leben, sagte Robert Pienz. Es sei ein Vergnügen gewesen, die junge Regisseurin Anna Marboe bei der Arbeit zu erleben. Obwohl er sich über die von den Beteiligten immer wieder feierlich herumgetragenen Keramik-Tiere doch gewundert und „eigentlich“ gemeint habe, das Stück zu kennen... Nun. Wer die Komödie Die Tür nebenan vor der Österreichischen Erstaufführung am Donnerstag (12.5.) im Schauspielhaus nicht kannte, wird es sich künftig ohne die keramikernen Hasen und Meerschweinchen nicht vorstellen können. Liebenswürdig sind die gebrannten Geschöpfe. Noch liebenswürdiger werden sie von IHR und IHM geführt, mit der professionellen Emphase von Puppenspielern. Geführt als Mitbewohner? Kinderersatz? So simpel ist es wohl nicht. Sind die beiden charmanten Klobürstenhalter nun Hasen oder Kaninchen? Oder Karnickel und Rammler und mit sexueller Bedeutung aufgeladen?
Die – mit Jahrgang 1996 tatsächlich recht junge – Regisseurin Anna Marboe geht mit federleichter Hand an den federleichten Text heran. Sie nimmt Psychologie und alle nur denkbaren Mann-Frau-Unverträglichkeiten keineswegs auf die leichte Schulter, sehr wohl aber mit spitzer Klinge auf's Korn. Daniela Meschtscherjakov – SIE – und Simon Jaritz-Rudle – ER – haben einander nicht die kleinste Kleinigkeit zu sagen, ohne dadurch vom jeweils anderen auf's Blut gereizt und zu heftigstem Widerspruch herausgefordert zu werden. Ihre Tiraden, Kanonaden wären alsbald ermüdend, würden sie nicht so leichthändig, wiewohl energiegeladen, abgeschossen, dass sie fliegen wie Federbälle. Dieser Leichtigkeit in der Darstellung entspricht die Ausstattung von Thomas Schrenk bestehend aus einem beweglichen Türstock, der auf der einen Seite in IHRER auf der andern in SEINER Farbe bemalt ist. Dazu kommen als Requisiten besagte Keramiken und ein paar Gummi-Viecher.
Der Autor Fabrice Roger-Lacan, Jahrgang 1966, ist ein Enkel des so umstrittenen wie legendären französischen Psychoanalytikers und Freud-Verstehers Jacques Lacan. Der Opa war ein Freund etwa von James Joyce und maß der Sprache in der Analyse größte Bedeutung bei. Einiges davon scheint auf den Enkel übergesprungen zu sein: Der Text, auch in der deutschen Übersetzung, zeugt von leichter Hand im Umgang mit dem Schweren, von Witz und Ironie und ermöglicht immer wieder das Erkennen tieferer Bedeutung. „Fühlen Sie sich wie zu Hause“, antwortet ER auf IHRE Bitte, das Backrohr benutzen zu dürfen. Nicht dazu gesagt hat er, und dass muss man akzeptieren, dass sein Herd genauso kaputt ist, wie ihrer... Wortwitz, Aha-Erlebnisse (Beziehungen haben schließlich alle), erstaunlich viel Musik, die erstaunlich wenig auf den Nerven geht – Die Tür nebenan öffnet sich auf Theater vom Feinsten.
Die Tür nebenan – Aufführungen bis 26. Juni – schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Jan Friese