… für den Frieden provisorisch repariert

THEATERACHSE / DRAUSSEN VOR DER TÜR

02/07/21 Ein Mann kehrt nach dem Krieg nach Hause zurück. Ein Mann, ein „Gespenst aus dem Krieg, für den Frieden provisorisch repariert“. Ein Mann, der am Krieg leidet, dessen Leiden nicht ernst genommen wird. Ein Mann, der nur noch den Wunsch hat, nichts mehr fühlen zu müssen. - Die Theaterachse beeindruckt im OFF Theater mit Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür.

Von Verena Resch

„Ein Mann kommt nach Deutschland, 1.000 Nächte hat er in der Kälte gewartet. Der Mann war weg – zu lange?“ Eine Stimme erklingt aus dem Off, während der Bühnenraum noch dunkel ist. Langsam wird es heller und am rechten Bühnenrand erscheint die Silhouette eines zusammengesunkenen Mannes, der nur wenige Augenblicke später schwer von jenem Quader fällt, auf dem er sitzt. Ein lautes Platschen ertönt – er hat sich in die Elbe gestürzt.

Die Geschichte des Kriegsheimkehrers Beckmann aus Wolfgang Borcherts bekanntestem Drama Draußen vor der Tür ist wohl hinlänglich bekannt. Überraschender ist viel eher, dass die Theaterachse, sonst eher für ihre komödiantischen Inszenierungen bekannt, diesen Stoff aufgreift und unter der Regie von Mathias Schuh künstlerisch einen neuen Weg einschlägt. „Es ist an der Zeit auch mal eine weitere Seite zu zeigen. Wir können auch anders“, liest man auf der Website. Dass sie das „Andere“ ebenfalls gut können, haben sie mit ihrem Gastspiel im OFF Theater, das am Donnerstag (1.7.) seine Premiere feierte, eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Beckmann kehrt nach drei Jahren in Sibirien nach Deutschland zurück – in ein Deutschland, in dem nichts mehr so ist, wie er es kennt. Seine Frau hat nicht mehr mit seiner Rückkehr gerechnet und einen neuen Mann an ihrer Seite. Seine Eltern – Anhänger Hitlers – haben sich nach dem Untergang des Dritten Reichs „selbst entnazifiziert“. Zusätzlich wird er geplagt von seinen Schuldgefühlen gegenüber elf in Sibirien gefallenen Kameraden, für deren Tod er sich verantwortlich fühlt.

Luke Bischof verkörpert sehr ergreifend den gequälten, verzweifelten Heimkehrer Beckmann, dem sämtliche Türen vor der Nase zugeschlagen werden, der nirgendwo mehr dazugehört und sich nicht mehr in den Nachkriegsalltag einzugliedern vermag.

Die weiteren Darsteller – Karoline Schragen, Lydia Nassal, Rafael Steiner – wechseln gekonnt zwischen den verbleibenden Rollen, die teils unterschiedlicher nicht sein könnten. Da gibt es unter anderem den „lieben Gott“, an den nach dem Krieg keiner mehr glauben kann, den fetten, überfressenen Tod und den Anderen, der – voller Elan und Tatendrang – Optimismus und Lebensfreude verkörpern, die Beckmann fehlen.

Leichte Kost ist es keine, die dem Publikum da präsentiert wird, es wird keineswegs geschont an diesem Abend – dafür sind die darstellerischen Leistungen zu überzeugend. Davon zeugt auch die lange Stille, die nach der letzten Szene bleibt. Die familiäre, beinahe intime Atmosphäre des OFF Theaters verstärkt die Wirkung des Spiels noch mehr, so scheint es. Und man sieht einmal mehr, dass es nicht die aufwändigen Inszenierungen sind, die zählen, sondern ob die Emotionen richtig vermittelt werden können. Am Schluss bleibt schließlich nur der Nachklang von Beckmanns verzweifeltem „Gibt denn keiner Antwort?“, der im Dunkel des Bühnenraums nachhallt und das Publikum stillschweigend zurücklässt.

Draußen vor der Tür – drei weitere Aufführungen von heute Freitag (2.7.) bis Sonntag (4.7.) jeweils im 19.30 im OFFTheater – www.off.theater – die weiteren Projekte der Theaterachse, darunter Shakespears Komödie Viel Lärm um Nichts  - www.theaterachse.com
Bild: Off Theater / Theaterachse