Orakel nix dagegen

MotzART FESTIVAL / POP UP AUSGABE

15/06/21 Darf die Satire die Wahrheit sagen? Wirklich? Heutzutage? Sind unbequeme Wahrheiten überhaupt noch erwünscht? Da und dort vielleicht schon. Für das MotzART Festival jedenfalls ist Satire bis zur Stunde ein „Orientierung stiftender Anker im Meer der Informationen und Meinungen“. Die abgesagte MotzART-Woche steigt als Pop-Up-festival ab 25. Juni.

Von Heidemarie Klabacher

„Inmitten digitaler Informationsfluten, zwischen gezielter Desinformation und fake news, alternativen Fakten und Verschwörungstheorien scheint uns die Behauptung einer gültigen Wahrheit abhanden gekommen zu sein – mit allen dramatischen Folgen für die Stabilität unserer politischen Systeme.“ Das schreibt ARGEkultur-Leiter Sebastian Linz dem MotzART-Publikum ins Stammbuch. „Beispielhafte Blicke auf den US-Wahlkampf oder die Queerdenken-Proteste scheinen diesen Eindruck – der selbst eher eine gefühlte denn faktenbasierte Wahrheit ist – zu bestätigen: Ohne das Fixum einer verbindlichen Wahrheit kommt unsere gesellschaftliche Wirklichkeit ins Rutschen.“ Für die Satire sei es jedenfalls eine spannende Situation: „De Frage nach ihrer Rolle stellt sich jetzt noch einmal ganz neu.“

So sei es jedenfalls „kein Zufall“, betont Sebastian Linz, „dass mit Florian Scheuba und Florian Klenk vom Falter, sowie mit Klaus Oppitz und Michael Nikbakhsh vom profil heuer zwei Kabarettisten zusammen mit Investigativ-Journalisten auf der Festivalbühne stehen“. Den Auftakt zur Pop-Up MotzART-Woch gibt am 25. Juni der Wiener PCCC, der erste „politisch korrekte Comedy Club“ in seiner zweiten Salzburger Ausgabe: Sehr korrekt und „unglaublich lustig schon deshalb, weil die Sprecher*innen-Perspektiven hier weiblich, (post-)migrantisch oder queer sind“.

Kabarett geht aber auch gutbürgerlich: In drei Solo-Programmen habe die studierte Grundschullehrerin Christine Eixenberger, ausgezeichnet mit dem Bayerischen Kabarettpreis in der Sparte ‚Senkrechtstarter‘, schon bewiesen, „dass sie ebenso hemmungs- wie schonungslos austeilen und bürgerliche Befindlichkeiten aufdecken kann“. Eixenbergers Salzburgpremiere mit dem Programm Einbildungsfreiheit im Februar 2022 ist der letzte Termin in der Pop-Up-Ausgabe des MotzART-Festivals 2021.

Manches Haar sträubt sich dieser Tage angesichts dessen, was da und dort als Tatsache und/oder Erlösungshoffnung verkauft wird. „Wird Wahrheit in der Satire erst in der Übertreibung sichtbar, wenn die Realität zur Kenntlichkeit verzerrt wird“, fragt nicht ganz zu Unrecht Sebastian Linz, etwa den Satiriker Clemens Haipl im Blick habend. „Oder kommt die Satire der Wahrheit gar erst durch ihr Gegenteil, der Unwahrheit, am nächsten – so wie beim Kabarettisten Fritz Jergitsch, der via Tagespresse als Experte für fake news gelten kann?“

Die alten Griechen sollten uns auch in dieser Lage als Vorbild dienen, wenn sie vor zweitausend Jahren das Orakel zu Delphi befragten. Soweit fahren ist noch immer ein bisserl kompliziert. Aber wir müssen uns ohnehin nur in die Ulrike-Gschwandtner-Straße verfügen, um Antworten zu bekommen: Dort wartet mit der Installation PYTHIA des Medienkünstlers Matthew Mosher ein interaktives Orakel in Gestalt eines Tastentelefons. Das hilft garantiert, vielen Wahrheiten näher zu kommen. Einiges von dem, was man als Erlösung Heischende(r) dieser elektronischen Ekstatikerin zuflüstert „wird anonym gespeichert und bleibt so für das nächste Gespräch in PYTHIAS Erinnerung erhalten“. Das hilft dem Nächsten ganz bestimmt. Sicherheitshalber die GPS Koordinaten ARGE N 47,7941° (47°47'38,8'') und O 13,0559° (13°03'21,2'')

MotzART-Festival – ab 25. Juni - www.argekultur.at
Bilder: www.argekultur.at