Leichenflederei ist auch Unterhaltung
MotzART FESTIVAL 2020
31/01/20 Warum hat die Leiche so lange Fingernägel? Warum sind Maden so wichtig? Krimi-Leser wissen das alles, die grausigen Storys um forensischen Anthropologen David Hunter sind Kult. Nun endlich werden auch im Kabarett – Zutritt ab 16 – Leichen seziert. Wieso auch soll sich das Kabarett nicht mit dem Verfall allen Fleisches befassen? Der Themenbereich Political Correctness stinkt dagegen freilich ein wenig ab.
Von Heidemarie Klabacher
„Mein Vater ist ein jüdischer Österreicher, meine Mutter eine rassistische Japanerin.“ Was will man mehr? Was darf man (noch) sagen und was nicht (mehr)? Und vor allem: Wer darf etwas sagen und wer nicht? Und: Wer sollte auch etwas sagen dürfen? Und welche Auswirkungen hat das dann auf die Satire, das Kabarett, in dem sich doch bisher alles sagen ließ? Oder? Zwischen politischer Korrektheit und Liberalismus, zwischen Moral und Ästhetik: „Die Positionen dazu sind vielfältig, die Debatte unübersichtlich“, sagt Sebastian Linz, der künstlerische Leiter der ARGEkultur. Die 38. Ausgabe des MotzART FESTIVALs wirft sich daher mitten hinein in die Debatten und fragt: „Korrekte Komik?“
Es ist das erste MotzART Festival, das ganz von ihm programmiert wurde, betont Sebastian Linz. Seine Devise: „Mehr Spaß für mehr Leute“. Dass in der männerdominierten Kabarettszene mehr Frauen zu Wort kämen, war eines seiner Anliegen. Dass Unterhaltung auch Unterhaltung über Unterhaltung bedeuten kann, führt logisch zur Diskussions- und Gesprächs-Verantstaltungen auch im Kabarett Festival: „Der erste MotzART Salon voriges Jahr hat voll eingeschlagen“, erinnert sich der Künstlerische Leiter. Die nächste Runde steht bereit: „Im MotzART Salon diskutieren bei freiem Eintritt heuer Severin Groebner mit der Autorin Lena Gorelik, mit Leo Fischer von der Satire-Partei DIE PARTEI, dem Comedian Soso Mugiraneza sowie der lesbisch/queeren Performerin Denice Bourbon.“ Denice Bourbon ist Mitgründerin des PCCC*, Wiens erstem politisch korrekten Comedy Club, der erstmalig Station in Salzburg macht. „Political correctness bedeutet hier schlichtweg: Mehr Spaß für mehr Leute!“
Wie man humorvoll mit Stereotypen umgeht, wissen vor allem Miriam Hie und Erika Ratcliffe: Ratcliffes Expertise: „Mein Vater ist ein jüdischer Österreicher, meine Mutter eine rassistische Japanerin.“ Was will man da mehr?
„Christoph Grissemann begibt sich auf die Schattenseite aller politischen Korrektheit, tief hinein ins 16. Jahrhundert, in die Tagebuchaufzeichnungen des berühmt-berüchtigten Samuel Pepys, bei dem so gar nichts moralisch sauber war.“ Die Künstlerinnen und Künstler des MotzART Festivalsvon Andreas Rebers und Christian Springer (der aus dem Koran liest) bis zu Mark Benecke oder Sigi Zimmerschied, verspricht Sebastian Linz, „operieren immer an der Grenze des Sagbaren und manchmal auch darüber hinaus“. Und wie war das mit den Leichen? Am Donnerstag (6.2.) hat Insekten auf Leichen von und mit Dr. Mark Benecke Salzburgpremiere. Weder Scherz noch Ironie: Zutritt erst ab 16 Jahren.