asdf
 

Im Tal der Unheimlichkeit

TOIHAUS / EMPATHIE MIT EINER GUMMIHAND

15/10/18 „This is not a performance, this is the shadow of a performance“, steht fett auf einem losen Beilagezettel des Programmheftes von Empathie mit einer Gummihand gedruckt. Was aus dem Augenwinkel als kryptischer Aphorismus verkannt werden könnte, stellt sich im Laufe des im Toihaus inszenierten Performancestücks als bedauerliche Wahrheit heraus.

Von Franz Jäger-Waldau

Wird das Nicht-Menschliche menschlich, werden die Menschen unmenschlich. Die im Toihaus dargebotene Performance Empathie mit einer Gummihand wagt eine Talfahrt durch den Gruselgraben menschlicher Erkenntnis. So verspricht es zumindest das Programmheft, in dem das für unsere posthumanistische Seinsperiode brisante Paradox des „uncanny valley“ konturiert wird: „Werden Roboterfiguren zu menschlich, fällt das Akzeptanzlevel (der Menschen) plötzlich rapide ab.“ Es scheint schlüssig, dass ein derartiges Problem nicht allein unter den kalten Messern der Mathematik zu sezieren ist, sondern auch mit künstlerischen Verfahren ausgearbeitet werden muss. Unter letztere reiht sich die Darstellung im Toihaus trotz aller Aktualität leider eher auf der Ebene einer kreativen Gemeinschaftstherapie ein.

Nach einer dreiminütigen Stille läutet eine Wanduhr, ein Darsteller legt sich auf den Boden. Die anderen beginnen darauf, eine Art Funktionsprobe seines Körpers vorzunehmen, worauf er lediglich mit den Worten „yes“, „no“ und „maybe“ antwortet. Damit ist übrigens auch der gesamte Sprechtext des knapp einstündigen Stücks aufgesagt, die Handlung wird ausschließlich über performative Akte wie Tanz, Akrobatik oder die Interaktion mit Requisiten evoziert. Bei allem verhalten sich die Figuren nicht konventionell, sondern sie verfahren mit Gewohntem auf unheimliche, ungewohnte Weise. Das Geschehen wird von dem Wechselspiel zwischen Angelika Miklins Barockcello und Nic Lloyds elektronischem Dj-Setup unterlegt: Ein Spiel der Differenzen zwischen Mensch und Maschine, Natur und Nachahmung. Die musikalischen Fähigkeiten der beiden Pendants stehen - ebenso wie die tänzerischen Talente der anderen Darsteller - außer Zweifel. Bei aller Bewunderung lässt sich die erdrückende Einsicht an dieser Stelle jedoch nicht weiter verschweigen: Das Gehaltvollste an Empathie mit einer Gummihand ist das Programmheft. Denn ohne seine Lektüre könnte unmöglich die Brücke von der Darstellung auf ihre Thematik geschlagen werden. Dieser formlosen, abstrakten Behandlung des komplexen Sujets namens „uncanny valley“ gelingt es nicht, ihren Vorzug vor einer strukturierten (wie im Programmheft anklingenden) zu rechtfertigen. Das fehlende Feingefühl für seine Transparenz lässt das Stück etwa auch über das eigene Bühnenbild stolpern: Seine Unordentlichkeit wirkt nicht konstruiert, nicht symbolisch, sie wirkt eben einfach nur unordentlich. Auch in der Darstellung fungiert das Unheimliche der Abweichung vom Gewohnten eher verwirrend als entwirrend: Eine Darstellerin bespuckt die andere mit einem Stück Plastik, als hinten plötzlich eine Popcornmaschine Popcorn poppt, von oben rieseln Kugeln grundlos eine Rinne herunter, aber alles ohne Gummihände, ohne Empathie. Die Sprachlosigkeit der Figuren enthüllt sich dadurch immer deutlicher als Stummheit, denn sprachlos ist nur, wer eigentlich etwas zu sagen hätte.

Vielleicht ist es unmöglich, das dunkle „uncanny valley“ absichtlich zu betreten, vielleicht muss die Erkenntnis sich dorthin verirren. Sonst kreist sie im ewigen Zirkel der Nachahmung einer Nachahmung: „A shadow of a performance“ eben, ein Schatten, der nichts erhellt.

Weitere Informationen und Vorstellungen: www.toihaus.at
Bilder: Ela Grieshaber

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014