Viele Reiskörner für Erbsenzähler

REPORTAGE / SOMMERSZENE / STAN'S CAFE

11/06/18 Falco ist ein Reiskorn.Die Beatles sind derer vier. Wie viele Reiskörner braucht man für Mozarts Geschwister und – Achtung, Fangfrage! – gab's in der Familie Mozart mehr Kinder als singende Mitglieder der Trapp Family?

Von Reinhard Kriechbaum

Das britische Theaterkollektiv Stan’s Cafe ist auf Einladung der Sommerszene in der Kollegienkirche zu Gast und hat sein Statistik-Laboratorium im Altarraum aufgebaut. Männer und Frauen in dunklen Anzügen und in Arbeitsmänteln gehen dort ihrem Handwerk nach, mit Notizbüchern und Laptops, mit Schüsseln, Schäufelchen und Waagen. Solchen, die viel Gewicht aushalten, aber auch mit Briefwaagen. Diese Leute legen nämlich die Zahlenreihen auf Reiskörner um.Wenn die Statistik-Aktionisten also von dieser unserer Welt erzählen – „Of All The People In All The World“ – dann kommen mal Zentner zusammen, mal ganz kleine Häuflein.

Auf großen und kleinen Blättern werden uns die Häuflein und Haufen präsentiert. In Reiskörnern ausgedrückt, kommt weltweit täglich geschätzt ein Eimer voller Menschen zur Welt. Die täglich Verbleichenden füllen nur einen halben Reiskorn-Eimer. Es sollte einem also der Reis gehen ob des Bevölkerungswachstums.

Auf Österreich bezogen sind die Geburts- und Sterbehäuflein beinah gleich groß, und die Handvoll Reiskörner, die für die Hebammen in unserem Land stehen, wirken beruhigend. Die Geburtshelferinnen sollten den Betrieb locker schaukeln.

Die Reiskorn-Installation in der Kollegienkirche ist ein Work in progress. Vielleicht kommt in den nächsten Tagen ja noch ein Häuflein dazu, das auch die Zahl der Totengräber anschaulich macht.

Aber die Welt ist größer als Österreich, wie wahr! Die Bevölkerung allein Londons und jene unseres Landes sind beides Haufen von Grabhügelgröße. Das bescheidene Maulwurfhäufchen daneben sind die in England lebenden Österreicher. Die Reiskorn-Menge der Bewohner Amsterdams und der US-Bürger mit österreichischen Ahnen halten sich in etwa die Waage. Hätten Sie das gedacht?

Mit ein paar Körnern kommt man aus, wenn man neben den Milliardären weltweit jene aus Österreich darstellt. Und die unverheirateten Milliardäre und -innen weltweit? Mit dieser Reismenge würde auch ein ganz bescheidener Esser nicht satt. Viel Geld bringt gute Heiratschancen.

Politikverdrossenheit lässt sich mit Reis auch gut darstellen: Die drei Haufen jener, die für den Brexit gestimmt haben, die dagegen votierten, und jener, die der Wahl fern geblieben sind, so gut wie gleich groß. Demokratie hat schon auch was Fragwürdiges.

A propos fragwürdig: Wird Statistik mengenmäßig aktenkundig, rückt das auch Perspektiven zurecht. Nicht bös sein, liebe Alleinerzieherinnen in der Prekariatsfalle: So mickrig ist der Haufen der alleinerziehende Männer daneben gar nicht, man sollte durchaus auch über jene öfters diskutieren. Und betrachtet man neben den ordentlichen Haufen der Eheschließungen und Scheidungen die paar mickrigen Körndln für die eingetragenen Partnerschaften, kommt man zum Schluss: Das Thema wird medial überproportional aufgebauscht.

Viel Ernsthaftes kann man aus den umgesetzten Statistiken von Migrationsbewegungen herauslesen. Die Twitter-Follower von Sebastian Kurz verglichen mit jenen, die am 13. Jänner gegen die neue Regierung demonstriert haben – was für ein Missverhältnis! Die Leute von Stan’s Cafe rechnen weiter und streuen noch weitere Reiskörner. Als DrehPunktKultur in der Kollegienkirche unterwegs war, schüttete einer gerade ein kleines und ein noch kleines Häufchen für männliche und weibliche Strafgefangene in Österreich auf. Für die amerikanischen Gefängnisinsassen standen schon mehrere Zehn-Kilo-Säcke bereit...

Fünf Tonnen Reis werden angeblich in diesen Tagen statistisch sortiert. Den Künstlern sei die nachhaltige Weiterverwertung des Reises ein Anliegen, heißt es. Jedes Festival, zu dem sie eingeladen werden – bisher über sechzig – müsse also eine ökologisch korrekte Weiterverwendung garantieren: Der Reis, der in Salzburg zum Einsatz kommt, wird im Anschluss regionalen karitativen Einrichtungen gespendet.

An einer sehr versteckten Stelle findet man ein Reishäuflein, das für die weltweit agierenden FBI-Agenten steht. Diese undercover agierenden Leuten müsste man schon wie die Nadel im Heu-, pardon Reishaufen suchen.

Stan’s Cafe „Of All The People In All The World“. Bis Samstag (16.6.) von 9 bis19 Uhr in der Kollegienkirche. Eintritt frei – www.szene-salzburg.net
Bilder: dpk-krie