Blutwursttag in Utzbach
SCHAUSPIELHAUS SALZBURG / DER THEATERMACHER
04/05/17 Nun ist er also im Schauspielhaus Salzburg gelandet: Bruscon, der genialische Staatsschauspieler und Komödienschreiber, der mit seiner Familie und dem Stück „Das Rad der Geschichte“ in der Provinz tingelt.
Von Reinhard Kriechbaum
„In Lintsch müsste man sein“, hat Helmut Qualtinger einst in einem Kabarettsketch gesagt. Bruscon hat die Erfüllung – nicht nur hinsichtlich einer Nudelsuppe ohne Fettaugen, auch in künstlerischer Hinsicht – in Gaspoldshofen gefunden. Utzbach ist ein deutlich härteres Pflaster, aber immerhin werden die Schweine dort um halb sechs gefüttert, deutlich vor Vorstellungsbeginn. Und das Hitler-Bild an der Wand der Wirtsstube, das muss hängen bleiben: „Hitler kann man nicht weglassen. Hier nicht.“
„Der Theatermacher“ (1984) ist Thomas Bernhards bei weitem meistaufgeführtes Stück, die burleske Abrechnung mit der Provinz und der leidigen Notlicht-Affäre bei der Festspiel-Uraufführung von „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ (1972). In Utzbach, wo gerade „Blutwursttag“ ist, ist natürlich auch einer fürs Notlicht zuständig. „Feuerwehrhauptmann und Fassbinder: Was für Leute an den Schalthebeln der Macht sitzen!“, sinniert Bruscon.
Harald Fröhlich ist Bruscon. Er hat den „Theatermacher“ in differenzierten Facetten drauf: Der Ignorante und der Wahnsinnige in einer gespaltenen Person. Und was Harald Fröhlich auch gut herausbringt: Sein Bruscon ist ein mit gar nicht wenig Selbstironie begabter Gescheiterter. Das macht ihn äußerst liebenswürdig, auch wenn er als Familientyrann wieder arg einbüßt an Sympathie.
So lässt sich die Aufführung sehr gut an. Marcus Marotte als Wirt kommt neben dem wortgewaltigen Bruscon kaum zum Kopfschütteln und noch seltener zum Antworten. Aber wie er dreinschaut, das macht die Befindlichkeit und Geisteslage in Utzbach mehr als anschaulich, und wie er die Schwingtür meistert, das entbehrt nicht einer gewissen Grandezza. Für die „bauwerkliche Hilflosigkeit“, die „Wändescheußlichkeit“, war Bühnenbildnerin Ragna Heiny zuständig. Die Gamskrickeln sind unverzichtbar.
Robert Pienz hat den Randfiguren das Verhalten von Zirkustieren zugeordnet. Hospitalismus sagen Zoologen dazu. Alle haben ihre Marotten, die sie zwanghaft wiederholen. Sohn Ferruccio springt stets beidbeinig auf die Bühne. Gesten und Handlungen werden dann freilich zu Tode geritten und sie sorgen für Längen, Längen, Längen. In die Theatervorbereitungen kommt ein fataler Hang zur Echtzeit.
Und bei allem Respekt vor Thomas Bernhard: Der Rotstift täte nicht schaden, gerade dann nicht, wenn es um die Schauspiel-Dressur Bruscons an seinen Kindern geht. Stimmt nicht ganz, aber subjektiv hat der „Theatermacher“ im Schauspielhaus doppelt so viel Text, als man davon im Kopf hat. Zweidreiviertel Stunden sind einfach viel zu lang.