Igitt, diese Äpfel des iGotts
ARGE KULTUR / DIE AGONIE UND DIE EKSTASE DES STEVE JOBS
29/03/17 Mehr Jobs, mehr Steve Jobs und alles wird besser. Das glauben zumindest die Anhänger des zeitgeistig grassierenden Kults um die Marke Apple. Wie finster allerdings die Schatten sind, die die Lichtgestalt des modernen Technikmarketings und seine glänzenden Produkte auf die Welt werfen, darüber klärt Peter Malzer alle Unwissenden auf - in „Die Agonie und die Ekstase des Steve Jobs“ in der ArgeKultur.
Von Christoph Pichler
So ein iPhone ist schon ein ganz besonderes Spielzeug. Wer es erwirbt, dem wird Eintritt in eine geschlossene durchzensurierte Welt mit eigenen exklusiven Geschäften gewährt, aus der es, sobald man sich in ihr gemütlich eingerichtet hat, kaum mehr ein Entrinnen gibt. Dabei gehört das Gerät seinem Käufer nicht einmal selbst. Dafür benötigt man erst einen illegalen „Jailbreak“, der das iPhone nicht nur von seinen allgegenwärtigen Schranken, sondern gleich auch noch von seiner Garantie befreit.
Mit dem Besuch bei einem goldbezahnten Handypiraten, der in seinem schummrigen Hongkonger Laden auch das allerneueste Apple-Gerät mühelos knackt, beginnt der knapp eineinhalbstündige Monolog des bekennenden Apple-Maniacs Mike Daisey, in dem er von seinem persönlichen Damaskuserlebnis berichtet.
So erzählt er etwa von seiner Reise in die drittgrößte Stadt Chinas, das zumindest im Westen weitgehend unbekannte Guangzhou, auf der ihm die schrecklichen Arbeitsbedingungen in asiatischen Massenproduktionsanstalten erst so richtig bewusst werden. Berichten vom unmenschlichen Druck an den Fließbändern oder dem zynischen Umgang mit imageschädigenden Selbstmordserien (Netze aufspannen!) setzt er die durchaus holprige Erfolgsgeschichte von Apple und seinem Mitgründer Steve Jobs gegenüber.
Viel Neues gibt es darüber freilich nicht zu erzählen. Vom Skandalproduzenten Foxconn hat mittlerweile schon fast jeder gehört, die exemplarischen Anekdoten aus der Arbeitswelt sind ebenfalls längst bekannt, auch wenn man ihre blutigen Details schon wieder vergessen oder verdrängt hat. Erzähler Peter Malzer gibt sich unter der Regie von Regisseur Markus Steinwender vom Theater Mazab redlich Mühe, die Erzählung trotzdem so eindringlich wie möglich zu gestalten, und versorgt dabei sogar das Publikum mit frischgepresstem Apfelsaft.
Das dafür nötige Elektrospielzeug packt er während der Performance aus einem typischen Onlineversand-Karton, das Obst kippt er kurzerhand aus herumstehenden Kisten. Anregender als dieser symbolschwangere Aktionismus, bei dem auch schon mal bedeutungsvoll in den (wohl sauren) Apfel gebissen wird, sind da die Visuals von Giovanna Bolliger, die die Erzählung am Bühnenhintergrund augenzwinkernd kommentieren.
Vielleicht muss man ja selbst in der Kirche des iGotts gehirngewaschen worden sein, um den angeblichen Schockwert des zumindest leidenschaftlich vorgetragenen Monologs nachvollziehen zu können. Sonst wirkt die abschließende Predigt, die den Vortrag zu einem „Virus“ hochstilisiert, der kurzerhand die Programmierung der Zuschauer überschrieben hat und ihn fortan nie wieder unbeschwert auf ein iPhones blicken lässt, mehr peinlich als prophetisch. Kritische Geister dürfen sich also keinen großen Erkenntnisgewinn erwarten, wer allerdings dem Technikkult hemmungslos verfallen ist und bislang alle ketzerischen Negativmeldungen erfolgreich vom Display gewischt hat, könnte von der persönlichen Erweckungsgeschichte des Mike Daiseys durchaus profitieren – zumindest bis zur Präsentation des nächsten iPhones.