Zeitschleife des Grauens

LANDESTHEATER / STORMY INTERLUDE

23/05/16 Max Brand ist einer der vielen verfemten und von den Nazis vertriebenen Komponisten. Der vollkommen verkannte Pionier dessen, was als „Elektronische Musik“ heute selbstverständlich ist, ist von allen vergessen worden. Mirga Gražinytė-Tyla, Musikdirektorin am Landestheater, hat sich seiner Kurzoper „Stormy Interlude“ angenommen.

Von Heidemarie Klabacher

„Und täglich grüßt das Murmeltier“ fällt einem als erstes ein, dieser charmante Zeitschleifen-Film, halt in einer Horrorfilm-Variante. Und Benjamins Brittens unheimliche Oper von Kindesmissbrauch und kindlicher Verführungskraft – „The Turn of The Screw“ – ist die nächste Assoziation. Die Musik von Max Brand hat freilich nicht die eigenständige Tonsprache eines Britten, sondern ist eine kluge Mischung aus Mahler und „romantischer“ Zweiter Wiener Schule.

Die Begegnung mit der Kurzoper „Stormy Interlude“ von Max Brand im Landestheater ist szenisch und musikalisch spannend.

Max Brand ist einer der vielen verfemeten und von den Nazis vertriebenen Komponisten. Die Geschichte seines Lebens ist besonders deprimierend und tragisch, ist er doch als vollkommen verkannter Pionier dessen, was als „Elektronische Musik“ heute allen selbstverständlich ist, von allen aufs Gründlichste vergessen worden. Obendrein ist der Großteils seines Werks verloren gegangen oder zerstört worden.

Nach einem langen Leben und einem frustrierenden Exil in Amerika ist der 1896 in Lemberg geborene Komponist 1970 in die „Heimat“ zurück gekehrt – weil es ihm und seiner Frau in Queens in New York zu unsicher geworden war. Erst 1980 ist Max Brand in Langenzersdorf verstorben. Nur für eine kurze Lebenszeit war Max Brand bekannt, ja berühmt – um 1929 (!) für seine Oper „Maschinist Hopkins“.

Nun hat das Salzburger Landestheater mit einer wahren Pioniertat aufhorchen lassen – mit der szenischen Erstaufführung des Operneinakters „Stormy Interlude“. Dieses lang vergessene „Stürmische Intermezzo“ war der Musikdirektorin am Landestheater Mirga Gražinytė-Tyla ein Anliegen. In der Regie von Amélie Niermeyer - dem Salzburger Publikum seit „Wozzeck“, „La clemenza di Tito“ oder „Rigoletto“ bestens bekannt – hatte die Rarität nun Premiere am Landestheater.

Im Bühnenbild von Maria-Alice Bahra und Jan Alexander Schroeder wird das Publikum hineingezogen in einen Alptraum. Ein Gasthaus irgendwo in den amerikanischen Bergen, eine Mutter, offensichtlich Alkoholikerin, eine Tochter – vielleicht ein Missbrauchsopfer – auf jeden Fall aber verzweifelt angesichts der Unentrinnbarkeit ihrer Einsamkeit und am Rande der Belastbarkeit ihrer Psyche.

Die erste und zunächst einzige Szene wiederholt sich immer wieder – Mutter greift zur Flasche, Tochter stellt Flasche weg, setzt sich hin, verliert sich in Träumen, wird von der Mutter aufgeschreckt, Mutter zieht sich zurück… Bis ein wildfremder Mann im Raum steht, in den sich die Tochter – Mona heißt sie, wie wir jetzt erfahren – sofort verliebt und dem sie sich ausliefert. Für wenige Augenblicke nur: Die Polizei verhaftet ihn als Dieb und Heiratsschwindler. Im zweiten Teil geht alles genau den gleichen Gang. Nur an Stelle eines einzigen Fremden dringt eine ganze Gruppe Männer ein, die Psyche Monas ist endgültig zersplittert…

Das lässt Regisseurin Amélie Niermeyer mit beängstigender Stringenz und Knappheit in Bewegungen und Gesten gnadenlos abrollen als unaufhaltbares Schicksal. Das sich ständig bewegende und scheinbar immer neu zusammensetzende Bühnenbild verstärkt dieses alptraumhafte Gefühl in einer Endlos-Zeitschleife gefangen zu sein.

Die Musik von Max Brand? Mahler und Schönberg und zwar gleichzeitig. Überaus klangsinnlich, keineswegs kitschig; keine eigenständige Tonsprache, aber handwerklich klug spielend mit bekannten Versatzstücken. Das Mozarteumorchester unter der Leitung von Mirga Gražinytė-Tyla spielt kammermusikalisch transparent, liefert virtuos klangsinnliche Bläsersoli. Frances Pappas singt die Rolle der Mutter Mrs. Lambert als gestörte Femme fatale. Hannah Bradbury brilliert darstellerisch und sängerisch als Mona. Jason Cox gibt den „Fremden“ bedrohlich verführerisch. Chappeau vor den Herrn des Männerchores des Landestheaters in den zahlreichen Solopassagen als quasi multipler Fremder. Ein bedrohlicher, beängstigender und überaus spannender Opernabend.

Aufführungen bis 5. Juni - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger