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Vom verlorenen Berg

LANDESTHEATER / BROKEBACK MOUNTAIN

29/02/16 Zuerst heißt es, die Zähne zusammen zu beißen. Denn da sind wir auf dem Brokeback Mountain, und egal, ob es Kojoten sind oder doch Wölfe (von denen es mehrmals heißt, sie seien ausgestorben): Es geht dort hart zu.

Von Reinhard Kriechbaum

Das heißt, ganz so hart dann doch nicht. Ennis und Jack lassen die Schafe, die zu bewachen sie angeheuert sind, Schafe sein. Sie vertreiben sich bald die Zeit gemeinsam im Zelt. Es bleibt nicht beim intimen Zug aus der Whiskeyflasche. Der Rest ist Legende und bekannt, seit die Verfilmung der Kurzgeschichte von Annie Proulx durch Ang Lee 2006 drei Oscars eingeheimst hat: die Geschichte von den zwei Cowboys, die in Liebe zueinander entbrennen, dann aber doch „bürgerliche“ Ehen eingehen und Kinder zeugen. Um das Unerfüllt-Sein aus der gelebten Unaufrichtigkeit den eigenen Gefühlen gegenüber, darum geht es.

Aber hier sitzen wir nicht im Kino, sondern in der Oper. Gerard Mortier hat das Werk als sein letztes großes Vorhaben vor seinem Krebstod (2014) auf den Weg gebracht (die Uraufführung hat er noch erlebt). Annie Proulx hat nach der Filmfassung auch das Opernlibretto selbst geschrieben. Der finnischstämmige Amerikaner Charles Wuorinen (Jahrgang 1938) ist der Komponist. Im Salzburger Landestheater wird „Brokeback Mountain“ – erstens – als Österreichische Erstaufführung und – zweitens – als Uraufführung einer kammermusikalisch konzentrierten Version vorgestellt.

Auch in der Oper heißt es Zähne zusammenbeissen am Berg. Es ist ja einen Akt lang so gut wie nichts los, außer dass zwei Männer zusammenfinden. „Du heilst den Schmerz der Einsamkeit.“ So sülzt man einander an. Da gibt es manch Uneingelöstes, denn im Orchestergraben brodelt es umso betriebsamer, je weniger Worte auf der Bühne gemacht werden. Charles Wuorinen schreibt einen expressiven, in der Melodik griffigen Stil, irgendwie die Zweite Wiener Schule fortschreibend. Jedenfalls in keinem Moment sentimental oder an-rührend. Gerade in der bläserlastigen Kammermusikversion wirkt seine Musik holzschnitthaft, stark in der Kontur und keineswegs zurückhaltend in der Instrumentation. Aber man kann, wie diese Aufführung beweist, wunderbar dazu singen.

Wenn nach der Pause doch etwas Handlung ins Spiel kommt, wenn es sich zu reiben beginnt im Verhältnis der beiden Männer zu ihren Ehefrauen, nimmt die Oper deutlich Fahrt auf. Da wirkt die Musik bei weitem nicht mehr so vordergründig, allein aufs Illustrative ausgerichtet. „Brokeback Mountain“ hat gleichwohl seine dramaturgischen Schwächen und Langatmigkeiten.

Es wird imponierend gesungen in der Salzburger Aufführung: Der Tenor Mark Omvlee ist Jack Twist, ein Draufgänger, wozu seine kernig-schlanke, bewegliche Stimmführung wunderbar passt. Florian Plock (Ennis) ist der Reflektiertere, Schwermütigere, Skrupulösere. Da findet es sich gut, dass er seinen Bassbaroiton erst zurückhaltend, fast verhaucht führt, dann aber markant und viril zulegt. Ennis ist ja die eigentliche Hauptpartie. Er hat in seiner Ehefrau Alma (Hailey Clark) eine beständige Herausforderung. Sie will nicht ihre materielle Situation und schon gar nicht in die Beziehungs-Lage widerspruchslos hinnehmen. Der Hallodri Jack findet in Lureen (Rowan Hellier) zwar auch eine starke, aber weniger unmittelbar fordernde Gegenspielerin. Beide Sängerinnen sind starke Charaktere.

Jacopo Spirei hat zurückhaltend inszeniert. Er erzählt die Geschichte geradlinig und so schnörkellos wie nur möglich. Eva Musil hat ihm eine Bühne gebaut, die den Berg zuerst in felsigen Schrägen und einer mächtigen Wolken-Illusion greifbar macht. Die häuslichen Szenen bleiben vor diesem Hintergrundbild – einer bleibenden Reminiszenz für Ennis und Jack – quasi Episoden. Kleine Dekorationsteile, im Wortsinn „halbe“ Räume werden rasch herein- und eben so flugs wieder rausgefahren. Vom realen Brokeback Mountain bleibt zuletzt ein ziemlich läppisches Felsending gerade in der Höhe eines Stockerls. Wer eine Lebenschance nicht ehzeitig zu ergreifen versteht, für den marginalisiert sie sich...

Was diese Inszenierung nicht übertünchen kann: dass Charles Wuorinens Musik die Befindlichkeiten der Protagonisten nicht wirklich vertieft, sondern sie eher deskriptiv fasst. Als Oper drängt sich die Sache nicht auf. Andrian Kelly am Pult des Mozarteumorchesters leitet zu einem kräftigen - wenn man will: kerngesunden - Musizieren an. Das kitzelt das Ohr, verhindert Langatmigkeit und bleibt letztlich doch satt tönende Oberfkächlichkeit. Aber das geht nicht aufs Konto der Ausführenden.

Aufführungen bis 21. April – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger

 

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