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Kopfnüsse für Patrioten

STIFTUNG MOZARTEUM / ORGEL&FILM / PETER PAN

11/11/15 „I remember ladies…“ Der kleine blonde Knirps wirkt nachdenklich. Er gehört zu den „Verlorenen Jungs“. Diese Kinder – es scheinen nur Buben zu sein – sind einst aus dem Kinderwagen gefallen und haben auf der Insel Nimmerland eine zweite Heimat gefunden. Dort herrscht Peter Pan – Urbild unvergänglicher Kindheit und damit ewiger Widerspruch in sich.

Von Heidemarie Klabacher

Kein Wunder, dass dieser Peter Pan nicht kapiert, was all die Mädels – Wendy Darling aus London oder die  Indianerprinzessin Tiger Lily auf Nimmerland – von ihm wollen könnten. Der Knabe drückt es viel subtiler aus: Sie wollen ihm alle etwas sein, und er versteht einfach nicht, was…

Gelegenheit zur Wieder-Begegnung mit Peter Pan, Wendy und Captain Hook gab es am Dienstag (10.11.) in der Schwarzstraße: In der Reihe „Orgel & Film“ stand Herbert Brenons Stummfilm aus dem Jahr 1924 auf dem Programm. An der Orgel im Großen Saal des Mozarteums hat sich der amerikanische Stummfilmbegleiter Dennis James wieder einmal selbst übertroffen.

Pathetisch-hymnische Akkorde für die, gar nicht wenigen, ernsten und bedrohlichen Szenen. Federnd hingetupfte Tänze für die fliegenden Kinder. Flirrende Klänge für die zickige Fee Tinkerebell. Dazwischen vorüberhuschende Zitate aus „Klassikern“, etwa aus Schuberts „Ave Maria“ wenn die verlassene Mutter Darling daheim in London um ihre Kinder trauert.

Dass beim Auftritt Peter Pans ein paar grollende Takte aus Schuberts Erlkönig-Klavierbegleitung auftauchen, verwundert beim ersten Mal. Man verbindet die bedrohlichen aus Fieber und Wahn geborenen Klänge ja keineswegs mit dem frechen Knaben in Grün. Beim zweiten Mal sind schon viele der insgesamt 105 Filmminuten vorüber gezogen und es hat sich inzwischen ein ganz neuer Blick auf den so überaus bekannten Stoff aufgetan.

Vor allem einmal: Der Stummfilm von 1924 scheint, bei aller zaubrischen Verliebtheit ins kindliche Detail (Hund Nana! Krokodil!), kein Kinderfilm gewesen zu sein. Nicht nur die Länge spricht dagegen, sondern auch die zahlreichen durchaus komplexen tiefen-psychologischen Momente.

Wie reizend die Darstellerin des Peter Pan, die damals 17 jährige Betty Bronson! Längst nicht mehr so augenrollend wie die frühen Stummfilm-Stars gibt sie einen kindlichen doch keineswegs ungebrochenen Charakter. Der Autor der „Buchvorlage“ Walter Barrie, der selber eine vielgespielte Bühnenfassung von Peter Pan erstellt hat, war auch in die filmische Umsetzung eingebunden: Er bestand auf Betty Bronson als Peter Pan. Eine bewegende Szene: Wendy wird ja über Nimmerland auf Anstiftung der eifersüchtigen Feenzicke Tinkerbell von einem der verlorenen Jungs abgeschossen: „Und ich dachte, dass nur Blumen sterben…“ Späte Verneigung vor dieser schauspielerischen Leistung!

Was auch auffällt: Der berühmte Peter Pan-Film von Disney aus 1953 scheint in zahlreichen Einzelbildern vom Stummfilm geradezu abgezeichnet worden zu sein.

Der Stummfilm galt Jahrzehnte lang als verschollen bzw. zerstört, erzählte der Organist Dennis James im Großen Saal. Ein Filmrestaurator und Kurator des Eastman House in New York (einer Film-Firma und -Schule) hat im Keller eine gut erhaltene Rolle entdeckt…Ob die vielen Anspielungen auf amerikanischen Patriotismus ernst gemeint oder doch zumindest ironisch grundiert sind, wird nicht ganz klar. Jedenfalls weigern sich die gefangenen Verlorenen Jungs zu Captain Hook überzulaufen. Denn dieser verteilt Kopfnüsse und sagt kategorisch 'Nein' auf die Frage, ob man denn auch als Pirat die Werte der amerikanischen Stars &Strips hochhalten werde. Mit Dennis James an der Orgel spricht vieles für Ironie.

Bild: Filmstill Peter Pan

 

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