Inspiriert und doch gefangen

 

TANZ_HOUSE-FESTIVAL / EDITTA BRAUN, IRIS HEITZINGER

13/10/14 Tanz kann seine Inspiration in den unterschiedlichsten Quellen finden. Das belegten am Samstag (11.10.) im Rahmen des tanz_house-Festivals Iris Heitzinger und die editta braun company bei der Premiere ihrer neuesten Kreation „Paula“ und Julian Barnett mit seiner Performance „Bridge“ auf höchst unterhaltsame Weise.

Von Christoph Pichler

Schon das Bühnenbild von „Paula“ in der ARGEkultur ist äußerst beeindruckend, wenngleich es zu Beginn nur in kurzen, harten Schnappschüssen erkennbar wird. Multitalent Arturas Valudskis hat mit einem Geviert aus Drahtrollen eine ebenso bedrohliche wie bedrängende Spielfläche geschaffen, die sich Iris Heitzinger auch noch mit einer schweren Bestecktruhe und weiteren Drahtschlingfallen teilen muss. Frei nach Marlen Haushofers Roman „Die Wand“ versucht die Tänzerin, mit sich und ihrer unwirtlichen Umwelt zurande zu kommen. Dabei wechseln sich in rascher Abfolge euphorische Ausbrüche voller Lebensfreude mit sehnsüchtig-schmachtenden und autoaggressiven Phasen ab. Zusätzlich zerrt Thierry Zaboitzeff mit seinem kauzig-knarzigen Soundtrack eifrig an den Nerven, bis Heitzinger mit einem gesäuselten „99 Luftballons“ im Laubregen für einen versöhnlichen Abschluss der spektakulären Solo-Show sorgt.

Gesungen wird auch bei Julian Barnetts „Bridge“, für das Roland Barthes' Konzept von der „Körnung der Stimme“ inspirativ Pate spielt. Bevor Jocelyn Tobias aber die ersten Töne über die Lippen kommen, mustert die Tänzerin noch intensiv das Publikum, um dann umso eindringlicher und konzentrierter die Stille zu durchbrechen. Nur langsam lässt sich dabei der Popsong erkennen, den sie da nach allen Regeln der Artikulations- und Bewegungskunst im Zeitlupentempo zelebriert. Es ist „What's up“ von den „4 Non Blondes“, dessen notorischer Heulrefrain „Hey yeah yeaaah! What's going on?“ hier ausnahmsweise nicht zur Saalflucht motiviert. Was Julian Barnett dagegen im Anschluss singt, lässt sich auch von den geübtesten Ohren nicht einordnen. Weder Sprache noch Melodie sind irgendwie zuordenbar. Allerdings steigert Barnett seinen Vortrag langsam in ein furioses Rap-Feuerwerk, dessen Groove schließlich nicht nur seinen eigenen Körper in heftige Schwingung bringt.

Mit „Paula“ ist der editta braun company ein äußerst stimmiges Gesamtkunstwerk geglückt, dessen verstörende Atmosphäre Tanz, Musik und die Bühnen-Installation wechselseitig verstärken, das aber auch immer wieder durch höchst amüsante Passagen aufgelockert wird. Für reichlich Schmunzler sorgt – trotz formaler Strenge und philosophischem Ballast – auch Barnetts „Bridge“. So lassen sich abstrakte Ideen effektvoll in modernen Tanz verwandeln.

Heute Montag (13.10.) beim tanz_house-Festival: „shellter“ von Julia Schwarzbach und der Künstlergruppe „Under Construction“, eine Performance in einem Garten in Leopoldskron. Abfahrt (Bus) ist bei der ARGEkultur um 17.45 Uhr – http://www.tanzhouse.at/tanzhouse.at/tanz_house_festival_14.html
Bilder: Editta Braun Company