Armer Macho

UNIVERSTITÄT MOZARTEUM / LA CLEMENZA DI TITO

11/03/14 Da wirft man den Männern immer Machtgehabe vor – und wenn sich einer einmal betont un-machomäßig gebärdet, hat er erst recht die schlechte Nachrede. Dem römischen Imperator Titus hängt das Negativ-Image schon seit gut 220 Jahren nach.

Von Heidemarie Klabacher

485Schon weit vorab – und immer zu recht – freut man sich auf die Opernproduktionen der Universität Mozarteum. Vorfreude und Freude: Das galt und gilt auch für Mozarts „La Clemenza di Tito“, die in einer gewohnt geradlinigen und erhellenden Inszenierung von Eike Gramss und unter der musikantisch-dynamischen Leitung von Josef Wallnig am Montag (10.3.) im Großen Studio Premiere hatte.

Das Orchestra Giovanile Italiana bot eine breite Ausdruckspalette von markanten bläserbetonten Herrschertönen bis hin zu fein phrasierten verinnerlichten musikalischen Seelenbildern. Eine ideale Basis für beachtliche sängerische Leistungen des jungen Solistenensembles und des Chors Musicacosì des Mozarteums. Heute Dienstag (11.3.) hat die zweite Besetzung Premiere, bei den insgesamt vier Aufführungen wechseln die beiden Besetzungen einander ab.

486Ein unaufdringlicher Star ist das Bühnenbild von Stephanie Forstner: Eine ansteigende Rampe, schmucklose Seitenwände – das ist auch schon alles. Doch diese auf Hochglanz polierte, ohne Beleuchtung farblich neutrale Rampe scheint weniger eine Spielfläche fürs Musiktheater, denn eine Projektionsfläche die psychologisch-emotionalen Zustände der Protagonisten und ihrer vielfältigen Verstrickungen zu sein.

La Clemenza di Tito, jene Oper, die am  6. September 1791, also wenige Monate vor Mozarts Tod, in Prag uraufgeführt wurde, erzählt vom unglücklichen Kaiser, der als „milder“ Herrscher in die Geschichte eingehen möchte – und dennoch von allen verraten wird, die ihm teuer sind.

Die Motive des – scheiternden – Kaisermörders Sesto sind ebenso vielschichtig und letztlich undurchschaubar, wie die seiner Geliebten Vitellia: Diese ist eine ausgemachte Zicke, die unbedingt Kaiserin werden möchte und Sesto zum Meuchelmörder an dem Mann anstachelt, den sie eigentlich heiraten sollte, wenn sie auf den Thron kommen will… Dass es bei alle dem viel weniger um eine simple Herrscher- als um eine durchaus subtile Liebestragödie geht, macht Eike Gramss in seiner Regie deutlich.

487Titus hat aber auch ein Pech: Seine eigentliche Liebe (die in der Oper gar nicht vorkommt) hat er heimgeschickt, um aus Gründen der Staatsräson eine Römerin heiraten zu können. Die erste Römerin, die er fragt, Sestos Schwester Servilia, lehnt seinen Antrag geradeheraus ab, weil sie Sestos Freund Annio liebt. Die zweite Römerin, Vitellia, nimmt den Antrag wohl an, hat aber blöderweise gerade ihren Liebhaber erfolgreich zum Kaisermord angestiftet… Die Liebeshändel mit den Frauen scheinen Titus aber viel weniger nahe zu gehen, als der Verrat Sestos und damit der Verlust dieser Freundschaft. Dass Vitellia am Schluss sich als Anstifterin outet und ein schwarzes Gewand anlegt, ist hier nur Zeichen einer scheinbaren Läuterung: Kaum ist das Todesurteil abgewendet, legt diese Vitellia sich wie eine Herrschaftszeichen auch schon wieder eine glänzende Kette um. Regisseur Eike Gramss entwickelt mit Hilfe vieler solcher kleiner feiner Details aus dem etwas unverständlichen und verstaubten Herrscherdrama eine beinahe moderne Psychostudie.

484Gérard Schneider als Tito der ersten Premiere überzeugte mit einem klangfarbenreichen Timbre in leisen Pianopassagen, das er im zweiten Akt auch in kraftvollen Fortepassagen zu bewegender Wirkung bringen konnte. Anna Landgraf war eine beredt deklamierende, in der Dramatik aber unnötig viel Druck auf die Stimme ausübende Vitella – eine grandiose Darstellerin. Eine Aura der Ruhe und der Bedachtsamkeit haben Claire Craig als Servilia und Karin Björg Torbjörnsdóttir als Annio um sich herum erstrahlen lassen: zwei klare geradlinig und souverän geführt junge Stimmen. Johannes Gruber hielt als Publio mit profunder Ruhe das Fähnlein der tiefen Männerstimmen im Mezzo und Sopran dominierten Umfeld aufrecht.

Heißen müsste die Oper ja eigentlich „Sesto“: Der treue Freund des Kaisers, der sich von der Geliebten zum Kaisermord dingen lässt, ist das eigentliche Zentrum der Oper. Sofiya Almazova sang nicht nur die berühmte Sesto-Arie mit Soloklarinette „Parto, ma tu ben mio“ mit größter technischer Souveränität und klanglichem Facettenreichtum. Sie überzeugte stimmlich und darstellerisch in den Scharmützeln mit Vitellia, den Dialogen mit Annio und als verzweifelter Schuldiger vor Titus in der großen Schluss-Szene. Eine bewegende spannende Aufführung.

La Clemenza di Tito - eine Produktion des Mozart-Opern Institutes in Zusammenarbeit mit den Abteilungen für Musiktheater, Bühnen- und Kostümgestaltung und der Scuola di Musica di Fiesole unter der Schirmherrschaft der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste - weitere Aufführungen - 11., 13. und 14. März jeweils 19 Uhr im Großen Studio/Mirabellplatz 1. Weitere Aufführungen folgen im Juli im historischen Teatro Romano in Fiesole - www.uni-mozarteum.at
Bilder: Universität Mozarteum/Christian Schneider