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Wer nicht schweigen kann, darf plaudern

PNEU / BEEP / A TALK

17/01/14 Darf man gehen, wenn man es nicht mehr aushält? Wie lange muss man aushalten? Wo liegt die Schmerzgrenze? Und vor allem: Wer darf eine Performance verlassen? „Vielleicht irgendwelche ‚normalen’ Zuschauer. Aber doch nicht wir, die so genannten ‚offenen’ Künstler.“

Von Heidemarie Klabacher

424Diese intensive Diskussion einiger junger Leute verschiedenster Muttersprachen war eigentlich das Spannendste am Donnerstag (16.1.) als das PNEU-Festival zu Gast war im Toihaus. Es war interessant zuzuhören im trostlosen Gang in der Umbaupause zwischen den beiden Performances: Dass so viele, vor allem junge Leute, die Performance des polnischen Künstlers Karol Tyminski verlassen hatten, erregte den Unmut ebenfalls junger Leute, offensichtlich selber Tänzerinnen und Performer.

„Auszuhalten“ galt es also die tatsächlich ein wenig radikale Produktion „Beep“ des Tänzers und Performers Karol Tyminski. Er faszinierte in seiner Soloperformance zunächst mit dem einförmigen, aber in der Kraft der Bewegung geradezu gewaltsamen Beugen und Aufrichten des Oberkörpers über fast eine halbe Stunde hinweg. Begleitet wurde die unaufhörliche rasche Bewegung vom ebenso gewaltsamen Aus- und Einatmen und den damit verbundenen, elektronisch verstärkten, Atemgeräuschen. Das war durchaus beängstigend und dürfte - den vielen verlegenen Lachern angesichts des aus dem Mund gepressten und rückwärts in den Saal fliegenden Speichels nach zu schließen - bereits einzelne Zuschauer irritiert haben.

425Abmarschiert sind die ersten – tatsächlich jungen Leute – aber erst, als Tyminski Verstärkerkabel und Turnhose abgelegt hatte, vom stolzen aufrechten Stand ausgehend mit immer runder werdendem Rücken in sich zusammensackte und zu versuchen schien, sich selbst zu verschlingen. Das wollte – trotz Verrenkungen, die jeden Yogi blass aussehen ließen – nicht gelingen. So begann der nackte Performer, sich mit dem gebeugten Rücken voran gewaltsam gegen die Wand zu werfen. In Summe war „Beep“ bei aller Radikalität angesichts fehlender Dramaturgie und Aussage dann doch vor allem ein wenig langatmig und ereignisarm. Es blieben Zeit und Muße, etwa an die Wiener Aktionismus-Sammlung des Mumok zu denken oder an die nun wirklich radikalen Performances einer Marina Abramovi?.

Dann also Umbaupause samt obiger Diskussion.

426Und dann die, wegen des großen Publikumserfolges spontan eingeschobene zusätzliche Aufführung der Deutsch-Schwedischen Performance „A Talk“ von Jolika Sudermann und Alma Söderberg. Sudermann & Söderberg haben ganz einfach verzaubert: mit Witz und Ironie, mit Perfektion und Präzision. Eine rhythmische Sprachperformance? Eine sprachbasierte Rhythmusstudie? Sudermann & Söderberg erzählen kleine Geschichten, etwa von einer Spanienreise bei schlechter Laune, einem trostlosen Barbesuch und der Begegnung mit einer Art Traummann, der genau die richtigen Fragen zu stellen weiß. Präzise Handbewegungen begleiten oft die ebenso präzisen, im Tempo zwischen vivace und prestissimo vorgetragenen Geschichten, von denen oft nur einzelne pontiert artikulierte Silben oder Laute übrig bleiben. Da kann Fußball genauso das Thema sein, wie die Geräusche, die der Embryo im Mutterleib hört. Manchmal muss auch geredet werden, einfach weil wer die Stille nicht aushält.

Sprachkünstler und Sprachkünstlerinnen und Spoken-Word-Performer gibt es viele. Die meisterhaften uniosono-Nummern von Sudermann & Söderberg, die auch hinreißend in alter Liedermacherinnen-Manier singen können, haben ihren ganz eigenen und eigenständigen Charme.

Sudermann & Söderberg „A Talk“: eine weitere Aufführung gibt es heute Freitag (17.1.) um 20.45 Uhr im Toihaus - Performing New Europe. A festival by SZENE Salzburg bis 18. Jänner - szene-salzburg.net/PNEU
Bilder: PNEU/Marta Ankiersztejn (2); Oliver Paul (1)

 

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