Vom Verhältnis zum „Jazzbandneger“

LANDESTHEATER / BALLASTSTOFFORCHESTER

12/03/13 Wenn man Brecht glauben darf, dann hat Hitler acht Mark die Stunde investiert in den Schauspielunterricht beim „großen Basil“ in München. Ein lohnender Aufwand, man hat von dem Herrn bekanntlich noch gehört. Von Hitler, nicht von Fritz Basil. Dem Mimen flicht die Nachwelt, wie man weiß, keine Kränze.

Von Reinhard Kriechbaum

Drum also Gedenken an den Schauspieler im Nebenerwerb. Das muss sein, 75 Jahre nach dem „Anschluss“. Auf Salzburg bezogen war der Montag (11.3.) punktgenau der Tag des traurigen Jubiläums. Das Ballaststofforchester hat genau die Musik der Zeit drauf: Jazziges aus Amerika, das den neuen Machthabern so gefährlich und sittenverderbend schien wie nur. Und natürlich auch die mitteleuropäische Unterhaltungsmusik der Jahre, zu der jüdischstämmige Österreicher und Deutsche nicht wenig beigetragen haben.

Das verbindende im Programm „Morgen muss ich fort von hier“: So gut wie alle Autoren und Komponisten landeten im Exil, oder im KZ. Eigentlich ließe sich daraus allein schon ein zum Bedenken anregendes, verführendes Programm machen. Aber natürlich müssen zu einem solchen Anlass auch Texte sein, wofür gäbe es sonst Dramaturgen am Theater? Und sogar ernste Worte des Intendanten waren angesagt (ein, bei so viel Professionalität rundum, etwas problematischer Auftritt). Wäre doch gelacht, wenn man nicht in ein tolles Programm Schulfunk-Flair hineindrückte!

Je mehr Musik jedenfalls, desto besser war‘s. In Eva Hinterreithner, Helmut Zeilner, Daniel Strasser und Markus Oberreither hat das Ballaststofforchester eine Sänger-Crew, die Charme einbringt und gestalterisches Know-How drauf hat. Durchaus eine Herausforderung für die Landestheater-Schauspieler Claudia Carus, Sascha Oskar Weis (singend) und Britta Bayer (lesend). Pavel Fieber hat man auch eingeladen, mit dem Hinweis darauf, dass der Schauspieler als Kleinstkind ein Jahr im KZ verbracht hat. Man kann Zeitzeugenschaft auch übertreiben.

Aber alles kein Grund, sich einen vergnüglichen und auch ohne Wort-Drohgebärden hintersinnigen Abend vermiesen zu lassen. Peter Breuers Ballettgruppe hat sich zu Musik von George Gershwin fein eingebracht. Herrlich, wie man von exotischen Freiheiten träumen durfte in Zeiten, als man das Wort „political correctness“ noch nicht einmal in den USA kannte. In „Ich lass mir meinen Körper schwarz bemalen“ reimt sich „mit Feigenblatt und Muscheln“ wunderbar auf „mit der Fidschi-Puppe kuscheln“. Mehr Stil zeigt die Dame in „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?“ (Oscar Straus/Fritz Grünbaum), aber selbst „Frau Y“ hat unter den Lovern einen „Jazzbandneger“. Da würde heutzutage womöglich gar die politisch aufgeklärte Seite nach sofortigem Exil für den Textautor rufen.

Erich Kästners Rede 25 Jahre nach der Buchverbrennung wirkt beklemmend. Da heißt es, auf allzu forsche Gedenk-Besserwisserei anspielend: „Keiner kann die Mutfrage beantworten, bevor die Zumutung gekommen ist.“ Und Kästner empfahl damals auch, faschistischen Gefahren ehzeitig zu wehren, „den Schneeball zertreten, bevor die Lawine rollt“.

Bild: Ballaststofforchester