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Der liebe Mai kommt bestimmt

LANDESTHEATER / MUSICA SPERANZA

19/09/11 Der Chor des Landestheater in einer Hauptrolle, und auch das Ballett ist effektvoll eingesetzt: Mit einem szenischen Mozart-Pasticcio eröffnete das Landestheater seine Spielzeit.

Von Reinhard Kriechbaum

altEine echte „Chor-Oper“: So etwas kommt in einem Dreispartenbetrieb in der Dimension des Salzburger Landestheaters so gut wie nie vor. Im Gegensatz zum Ballett, das sich doch mehrmals jährlich mit eigenen Abenden präsentieren darf, fristet der Chor im Regelfall ein subalternes Dasein. Alle Sympathie also, wenn jetzt gerade diesem meist sträflich unbedankten Kollektiv die Saisonpremiere gewidmet ist: „Musica speranza“ heißt der Abend, der auf der c-Moll-Messe fußt. Konzertarien sind eingeflochten und Regisseur Andreas Geier hat im Verein mit der Choreographin Bridget Breiner ein musik- und bewegungs-theatralisch attraktiven Bühnenstück geformt.

altMit der „Story“ ist man rasch fertig: Sie liest sich auf dem Papier reichlich gedankenüberlastet, kommt in der szenischen Umsetzung aber unprätentiös-intellektuell daher. Wir sind am Ende eines Kriegs, vielleicht eines Bürgerkriegs. Mehrere Protagonisten versuchen, Wiederaufbau und neue politische Ordnung nach ihren Vorstellungen zu formen, was sie in Widerspruch zueinander bringt und die Emotionen aufkochen lässt. Sogar einen Mord gibt es. Wie es die c-Moll-Messe musikalisch vorsieht, ballt sich das Volk – der Chor – immer wieder zusammen. Die Abschnitte des Messtextes eignen sich allemal, um Verzweiflung und Hoffen, Trauer und Freude, Huldigung und Zuversicht auszudrücken.

altDas geht alles erstaunlich gut zusammen. Jeder der Protagonisten hat einen Tänzer oder eine Tänzerin als Alter ego zur Seite. So können der Regisseur und die Choreographin allerlei Sub-Texturen anschaulich machen. Mit Vorliebe gestalten sie Pas de trois, wobei ein Gesangssolist von zwei Tänzern begleitet, unterstützt oder konterkariert wird. Der aufklärerische Grundgedanke  erschließt sich so einigermaßen. Die theatralen Ideen stehen der Musik und der tänzerischen Umsetzung nie im Weg. Man darf das durchaus als „L’art pour l’art“ genießen und sich aufs genießende Schauen und Hören zurückziehen.

altDer Chor also plötzlich im Rampenlicht. Dass die c-Moll-Messe weniger Forschheit verträgt, mag Chordirektor Stefan Müller seinen Schützlingen so sehr eingebläut haben, dass sie fast zu schüchtern, jedenfalls in der Dynamik zurückhaltend agiert haben. Ein Opernchor hat eine ganz andere musikalische Sozialisation als ein Konzertchor. Man kann und darf die Ergebnisse zwischen Aufführungen auf dem Konzertpodium und hier auf der Bühne einfach nicht miteinander vergleichen, zu unterschiedlich sind die Welten.

Adrian Kelly ist ein Dirigent, der aufführungspraktisch informiert an die Sache rangeht und den Chor ein gutes Stück mitnimmt. Es bleibt freilich der Abend des Mozarteumorchesters, das dieses Stück eben perfekt drauf hat. Ein Genuss, den Holzbläsern nachzulauschen, in der Messe ebenso wie in den Arien. Ein Sonderlob den Klarinetten.

Lenneke Ruiten und Karolina Plickova (Sopran), Gustavo De Gennaro und Franz Supper (Tenor), Damian Whiteley (Bass) – sie also sind die singenden Handelnden, und sie lösen den Ensemble-Anspruch gut ein. Auf Tempi, bei denen sich die Phrasen wirklich auf einen Atem ausgehen, wird man sich im Lauf der Aufführungsserie einigen.

Nicht uninteressant, Peter Breuers Ballettcompagnie einmal unter anderer choreographischer Anleitung zu erleben. Bridget Breiner liebt zackig-expressive Bewegungen. Auf so hohem technischen Level aufzusetzen, muss für die Choreographin das pure Vergnügen gewesen sein.

Stimmig-intim die Schlussszene: Ein gregorianisches Agnus Dei aus dem Off, vorne setzt eine Sopranistin ein Pflänzlein und singt unbegleitet „Komm lieber Mai“. Er kommt bestimmt.

Aufführungen bis Jänner 2012. - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Landestheater / Jürgen Frahm

 

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