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Jedermann ist Idomeneo

MOZARTEUM / IDOMENEO

11/04/11 Was tut ein abgedankter König? Taten aus der Pension sind meist nicht überliefert. Im Falle von Idomeneo, Ex-Re di Creta, ist die Sache klar: Zusammen mit den andern alten Männern wird er im Inselcafé sitzen, das Kompoloi durch die Finger perlen lassen und Ouzo trinken. Die Jungen - Idamante und Ilia - bleiben auf der zerbeulten Krone sitzen. Regisseur Eike Gramss und die jungen Ausführenden des Mozarteums liefern im Großen Studio  einen fulminanten „Idomeneo“.

Von Heidemarie Klabacher

altIn Bodennähe sanft wiegend, sind die blauen Leuchtstoffröhren im Bühnenhintergrund die säuselnden Wellen am Gestade Kretas. Wogen sie heftig über mehrere Meter auf und ab, ist Sturm angesagt. Die Sache ist noch dazu stabil gebaut: Ein paar Tänzer hängen dran und werden von den haushohen Wellen als erschöpfte Schiffbrüchige an den Strand gespült. In Gelb verbreiten besagte Leuchtstoffröhren das ungesunde Flair der Seuche, die das Volk - sofern noch nicht um Seeungeheuer gefressen - weiter dahinrafft. In Rot stehen sie für Emotion. Diese sind freilich ein Privileg der höhern Klassen. Wenn der Königsberater Arbace seine berührende große Arie singt, dabei aber angeekelt zwischen den Siechen herumstakst und nach versehentlicher Berührung mit spitzen Fingern zum Taschentuch greift, ist das ein kritischeres Rollenporträt als man je erlebt hat.

Regisseur Eike Gramss ist ein Meister der Reduktion. Mit diesem „Idomeneo“ hat er sich selbst übertroffen. Außer den Leuchtstoffröhren und ein paar flexiblen Stellwänden, die mit wenigen Handgriffen Innenräume andeuten, gibt kaum Requisiten oder Ausstattung. So entspricht das Bühnebild von Jinha Noh den prägnanten Rollenporträts von Eike Gramms. Wenn sich mit dem Scheinwerfer-Schatten die ganze Decke der Königshalle über Idomeneo zu senken scheint, hält man den Atem an: kein special effekt, keine noch so teure Bühnentechnik könnte größere Spannung erzeugen.

altDie dramatischsten Augenblicke erziehlt  Regisseur Eike Gramss mit einer ebenso kostengünstigen wie effektvollen Dolby-Sourround-Wirkung: Der Chor ist zunächst an den Seiten des Größen Studios verteilt, singt teils oben, hinter den geöffneten Jalousien. Dann als die Verzweiflung des Volkes sich unaufhaltsam Bahn bricht - Seeungeheuer und Seuche toben, die Toten häufen sich - stürmen die Sängerinnen und Sänger von hinten aus dem Saal nach vorne an die Rampe: Atemberaubend spannend. Nicht nur in der dramaturgischen, sondern auch in der musikalischen Wirkung. Nicht irgendein „Opernchor“ hat da mit Kraft sein Bestes (welches sich meist nur in Lautstärke niederschlägt) gegeben, sondern ein exquisit gestaltendes Vokalensemble hat dem leidenden bzw. jubelnden Volk Gestalt und Stimme gegeben.

Ein Bewegungschor des Carl-Orff-Institutes unter der Leitung von Susanne Rebholz verstärkt an zentralen Stellen anschaulich, aber nie plakativ, die Volksszenen. Die durchaus kritische Grundaussage der Inszenierung wird damit klug verstärkt: Die Großen bauen Mist und leiden wohl auch an den Folgen ihrer Taten und Untaten (wie hier eben König Idomeneo an der hinausgeschobenen Einlösung des leichtfertigen Versprechens, für die Rettung aus Seenot, das erste x-bliebige Lebewesen zu opfern… )  Die echten Folgen aber hat das Volk zu tragen, das mit Seuche und anderen Heimsuchungen geschlagen wird. Dass der zornige und empfindliche Meeresgott Neptun dahinter steckt, ist beinah nur eine hübsche Verzierung einer anklagenden überzeitlich gültigen Sozialkritik.

Trotzdem spielen die „Großen“ eine wunderbare Rolle: Thorsten Büttner sang die Titelrolle, begeisterte vor allem mit seiner wunderbar timbrierten Mittellage. Mozarteumsabsolventen sind die Sängerinnen und Sänger ja alle - wenn auch die Diplomprüfung bei den meisten schon länger zurückliegt. Ihr Masterstudium tatsächlich jetzt im März 2011 abgeschlossen hat Livia Kretschmann: Sie gab einen darstellerisch liebenswürdig natürlichen Idamante (eine Art Prinz von der Straße), und überzeugte sängerisch mit perfekt geführten Linien und wohldosierter Ausdruckskraft. Sarah-Luise Traubel hat der trojanischen Prinzessin Ilia darstellerisch berührende Gestalt und musikalisch strahlende Stimme verliehen.

altAntonia Rusenescu gab eine Prinzessin Elettra, die einmal gar nicht sosehr als affektierte Zicke daherkam, sondern als bemitleidenswertes Wesen, das die Augen vor der Realität (er liebt sie einfach nicht) verschließt. Sängerisch sind Antonia Rusenescu und ihren brillanten und doch so geschmeidigen Koloraturen Höhepunkte der Aufführung zu danken. Arbace, den Vertrauten des Königs, gab bei der Premiere am Samstag (9.4.) Maximilian Kiener, nicht nur in Salzburg längst kein Unbekannter mehr. Waku Nakazawa sang den Oberpriester - klar, geradlinig, strahlend - aus der Mitte des Publikums heraus. Auch das ein ebenso einfacher, wie wirkungsvoller Regie-Einfall.

Der Chor wurde schon gelobt. Das Orchester leistete Sensationelles. Josef Wallnig leitete „Orchester und Chor MusicaCosì“. Hinter diesem Namen würden sich, war auf Nachfrage zu erfahren, doch vor allem Studierende des Mozarteums verbergen. Wer auch immer: Die Leistung war fulminant. Es wurde nicht nur „begleitet“. Josef Wallnig leitete einen beredeten jederzeit fein durchhörbaren Dialog mit der Bühne. Zahlreiche kleine und kleinste Instrumentalsoli ließen mit Vergnügen aufhorchen, wie etwa Flöte und Fagott in der Arie Ilias an Idomeneo und ihr neues Vaterland.

Weitere Aufführungen: 11., 13. und  14. April, jeweils 19 Uhr, Großes Studio - www.uni-mozarteum.at
Bilder: Universität Mozarteum / Christian Schneider

 

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