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Liebe über Tod und Leben

LANDESTHEATER / BALLETT ROMEO UND JULIA

25/10/10 Mit „Romeo und Julia“ hat Ballettchef Peter Breuer sich selbst übertroffen! So Tempo- und Energie geladen und zugleich so aktuell menschlich und berührend poetisch war noch keine Ballett-Produktion Breuers am Landestheater.

Von Heidemarie Klabacher

altKeine Spur von Kothurnen und steifen Gewändern und einem Verona in Bühnen-Massivbauweise. „Romeo und Julia“ gab’s ja schon einmal in einer Breuer’schen Lesart. Handwerklich solide und tänzerisch hervorragend, wie alles, was der Ballettchef im Laufe seiner bald zwanzig Jahre im Landestheater auf die Bühne gebracht hat. Dabei ist das eine oder andere Handlungsballett - oft waren getanzte Biographien dabei - durchaus ein wenig mühsam ausgefallen. Da waren viele Bewegungsmuster oft schon zu bekannt, waren manche Stoffe zum Vertanzt-Werden dann doch zu sperrig.

Und jetzt ist Peter Breuer in einen Jungbrunnen gefallen und mit einem absolut neuen, erfrischend unvertrauten Tanz-Vokabular wieder aufgetaucht. Getragen und getrieben von einer Energie, wie sie selbst den aufregendsten Kampfszenen - einer Spezialität Breuers - bisher kaum eignete.

altDabei beginnt alles auf die harmloseste Weise: im Ballettsaal beim Aufwärmen an der Stange vor dem Spiegel. Ein einzelner Tänzer. Bald kommen weitere Burschen dazu, fangen an miteinander zu blödeln, zu raufen, erste Figuren zu proben. Auch die ersten Damen stellen sich ein und an die Stange - Plie. Der Ballettmeister kommt. Die Probe beginnt.

Allein diese Szene packt mit ihrer scheinbaren Schlichtheit und Natürlichkeit. Ob die Tänzerinnen und Tänzer ihre privaten Trikots anhaben? Möglich. So könnte es im Ballettsaal jederzeit zugehen. Erstmals hat man das Gefühl, Tänzerinnen und Tänzer als Menschen, nicht nur als übernatürlich trainierte und durchgestylte Körper zu erleben.

Wie Peter Breuer und Andreas Geier ihre scheinbar ganz anders lautende Geschichte der Musik von Sergej Prokofieff einschreiben, ist einfach grandios. Und wird umso spannender, umso komplexer die Sache wird.

altEine „Neue“ kommt zum Vortanzen: Sie trägt Kopftuch und wird von Mutter und Bruder begleitet. Dieser Bruder verliert bereits hier zum ersten Mal die Beherrschung, als der Tänzer sich seiner Schwester nähert. (Das ist das einzige „Aber“, dass einem an diesem einzigartigen Tanzabend durch den Kopf geht: Würde eine derart konservative muslimische Familie eine Tochter überhaupt Tänzerin werden lassen?)

Der Macho-Bruder hat natürlich recht gesehen: Vom ersten gemeinsamen Schritt in den Ballettsaal hinein, fühlen sich die beiden jungen Leute einander zugehörig. Geprobt wird jedenfallls „Romeo und Julia“.

Marian Meszaros, Alexander Korobko, Anna Yanchuk, Cristina Uta und Junior Demitre lassen sich mit Verve auf Breuers Gedanken ein, sind, angeleitet von Josef Vesely als Ballettmeister, ebenso überzeugend als Individuen, wie als eingeschworene Vertreter ihrer jeweiligen Clans. Aufregend und effektvoll sind die oft als Schattentheater angelegten Kampfszenen in den Türmen des imaginären Verona von Ausstatter Dorin Gal.

altLilija Markina ist in diesem Theater auf dem Theater die liebenswürdig natürliche und tänzerisch brillante Julia aus muslimischer Familie. Daniel Asher Smith der ebenso kraftvoll wie geschmeidig sich bewegende Romeo, dessen Angehörige in Salzburger Tracht zur Premiere erscheinen: Die Montagues und Capulets aller Epochen, samt allen vergangenen und gegenwärtigen Grenzen und Gräben zwischen Kulturen, Gesellschaftsschichten und Religionen. Und hier kommt es zur Tragödie. Julias Bruder ersticht Romeo auf offener Bühne. Dabei ist zu fürchten, dass der darauf folgende Familienkrieg sich jederzeit auch in den Gassen und Straßen der Realität abspielen könnte - mit Gewalt nach außen und innen. Ausbruchsversuche aus der Konvention werden brutal bekämpft - und sei es auf Kosten des Glücks der eigenen Kinder…

Wie Peter Breuer und Librettist Andreas Geier diese Situation auflösen in ein Spiel zwischen Vision und Traum ist überwältigend. Da wird nicht länger „erzählt“ oder gar versucht, Shakespeares Drama pantomimisch-tänzerisch darzustellen. Es ist ein Hinübergleiten in einen gemeinsamen mythisch-mystischen Liebestod der seine Überwindung in sich trägt.

Weitere Aufführungen - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT / Jürgen Frahm

 

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