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Engel mit Harfe, erste Reihe fußfrei

SALZBURGER ADVENTSINGEN

29/11/24 Leichtfüßig tändelt Maria mit Josef durch den Weingarten. Zwei frisch verliebte junge Leute. Sie ahnen nicht, was Gottvater und der Heilige Geist demnächst anrichten werden. Von den Hirten, die da lauschen, muss Josef sich „valiabter Gockl“ nennen lassen, und die jungen Leute sinnieren, was die beiden am Weinberg „eppa toan hab'n“.

Von Reinhard Kriechbaum

Wie wir wissen, war da nichts Verfängliches zwischen den beiden, im Weingarten nicht und auch eher nicht in der lauschigen Höhle darunter, wo sie sich geheim treffen. Es wäre im Ernstfall ja wohl der Engel dreingegangen. Der ist in der diesjährigen Produktion des Salzburger Adventsingens mit dem Titel Glaube, Hoffnung, Liebe! allgegenwärtig, beobachtet die Verliebtheit des demnächst „heiligen“ Paares mit zufriedener, ja hoffärtiger Miene und breitet oftmals seine schützenden Hände aus.

Eine recht menschliche Geschichte hat sich Hans Köhl da also ausgedacht. Nach der Generalprobe des Adventsingens am Donnerstag (28.11.) ist Köhl gebührend gefeiert worden, weil er ja seit einem Vierteljahrhundert die Gesamtleitung inne hat. 25 Jahre stetiger Professionalisierung, wie man sich wieder einmal überzeugen konnte.

Die Erzählung ist diesmal besonders lebensnah gelungen, obwohl es zwischen der „heutigen“ Textebene und den alttestamentlichen Texten so manchen Bruch gibt – vielleicht macht ja gerade das den Reiz aus, weil das eine das andere relativiert. Da steckt man dann schon weg, wenn Maria ihren Verlobten als „blühenden Apfelbaum im Dornenwald“ bezeichnet. So eine Freundin müsst' man haben, aber leider ist Maria ja eine singuläre Erscheinung in der Religionsgeschichte.

Eva Schinwald als Maria, Silke Kiener als Elisabeth, Elisabeth Eder als Engel – eine hochprofessionelle Damentruppe, ohne jedes falsche Vibrato, geradlinig phrasierend und artikulierend alle drei. Die Tenorstimme von Bernhard Teufel (Josef), weich und mit einnehmendem Schmelz, ist sowieso längst Markenzeichen. Mit der bedingungslosen (und im Großen Festspielhaus vor zweitausend Menschen wohl auch unabdingbaren) Professionalisierung ist freilich auch etwas verloren gegangen. Der Dreigesang CMM  und das Vokalensemble Hohes C sind lupenrein intonierende Gesangstruppen, die auch exponierte Anforderungen in den Neukompositionen und Arrangements von Klemens Vereno meistern (die Schieflage im Prolog überhören wir großzügig). Sie sind aber auch meilenweit entfernt von Volksmusiktraditionen (etwa den Fischbachauer Sängerinnen), wie sie die Musik beim Adventsingen auch über Jahrzehnte geprägt haben. Ähnliches gilt für die sprachliche Fassung. Die Hirtenkinder sind sehr gut auf die Mundart eingeschult. Dass sie das Wort „Gschwistarakindskinder“ einander erklären, ist sehr publikumsfreundlich und vielleicht sogar für Stadt-Salzburger hilfreich. Die Protagonisten sind mit Hochdeutsch besser aufgehoben, inklusive Edwin Hochmuth als Rabbi, dessen Part in gebundener Sprache absticht von den anderen.
Der Salzburger Volksliedchor ist in den Liedsätzen mehr daheim als in der Polyphonie, die ihm die Stücke von Klemens Vereno gar nicht selten abfordern. Es ist eine charakteristische, sich nicht anbiedernde Tonsprache, doch immer süffig im Melos und mit den Mitteln der Volksmusikensembles im Orchestergraben blendend instrumentiert. Die Überleitungen und Einbindungen der Volksmusik gelingen Vereno ganz ohne „g'schmacklerische“ Anbiederung. Die Produktion heuer ist wirklich ein Oratorium aus einem Guss. Eindrucksvoll das Magnificat und die Herbergssuche, wo alle musizierenden Gruppen zusammengebunden werden.

Unprätentiös die Regie von Gerda Gratzer. Sie unterscheidet auf den unterschiedlichen Textebenen deutlich zwischen der „Alltags-Spielebene“ und den biblisch rückgebundenen beziehungsweise überhöhten Episoden. Da darf es schon statuarischer zugehen als in der bergenden Höhle der Verliebten oder zwischen den Weinstöcken einen Stock höher, wo Bühnenbildner Dietmar Solt eine roh gezimmerte Bank hingestellt hat: ein Lieblingsplatz auch für den Harfe spielenden Engel. Erste Reihe fußfrei.

Die Hirtenkinder sind allemal gut, um die Sache zu erden, wenn's gar zu fromm zu werden droht. Drei von ihnen sind als Lauscher zur Stelle, denken sich ihren Teil über Maria und Josef und ratschen das Beobachtete weiter. Der Rabbi kann's talmudisch gut einordnen... Schön, wie sie dann gemeinsam den Innviertler Landler musizieren und natürlich zum obligaten „Pasch“ anheben. Auf diesen versteht sich der Rabbi auch. Und gerade der kleinste der Hirtenbuben hat mit seiner Trompete eine führende solistische Aufgabe. Liebenswert hochprofesssionell all das.

Premiere heute Freitag (29.11.) um 19.30 Uhr im Großen Festspielhaus – Aufführungen bis 15. Dezember – Übertragungen am 8. Dezember um 15.55 Uhr auf ORF 2 und am 15. Dezember 20.15 Uhr auf ORF III – Zum Streaming www.salzburgeradventsingen.at
Bilder: Salzburger Adventsingen

 

 

 

 

 

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