Die Clownerie der Liebe kann bitter sein

UNI MOZARTEUM / COSI FAN TUTTE

17/05/23 Im Vorfeld dieser Produktion war auch von neuen, „gendergerechten“ Blickwinkeln und von Diversität die Rede. In Così fan tutte geht es freilich um die zeitlos gültigen Verwirrungen der Gefühle von eindeutigen Frauen und Männern und Punktum. Welch ein Glück, dass genau dies in der Inszenierung nun im Mittelpunkt stehen darf.

Von Gottfried Franz Kasparek

Mozarts und des kongenialen Lorenzo da Ponte am Rand des emotionalen Abgrunds balancierende Musikkomödie darf original und komplett stattfinden. Die Ausstatterin Anna Brandstätter hat dafür eine gut bespielbare, sanft auf- und absteigende Treppenarchitektur auf die Bühne des Max Schlereth-Saals gebaut. Das wirkt auf den ersten Blick recht kühl, doch dank guter Lichtregie im weiteren Verlauf atmosphärisch und irgendwie modern mediterran. Die saloppen Kostüme dienen nicht immer zum Vorteil der damit Bekleideten, wirken aber lustig und heutig. Die Liebhaber erscheinen in ihrer Verwandlung als eine Art weißer Clowns, eine Tarnung, die zeitweilig auch Despina und Don Alfonso verwenden und schließlich sogar die umschwärmten Schwestern als Bräute. Dass Mann und Frau in der Liebe clowneske Züge annehmen können, zumindest in den Augen der sie Betrachtenden, liegt auf der Hand. Und wie schnell wird der verliebte Mensch ein trauriger Clown oder gar eine Clownin.

Regisseur Alexander von Pfeil hat nichts verfremdet, aber es geht oft recht derb zu im latenten Geschlechterkampf, was allerdings hinter den Brokatvorhängen neapolitanischer Salons inklusive oraler Angebote ausgebeuteter und dennoch gewitzter Kammerzofen sicher auch so gewesen ist. Die jungen Leute auf der Bühne erfreuen sich jedenfalls merklich lustvoll an der Beweglichkeit und an ihren ausgefeilten Personagen. Und das Publikum bekommt etliche eindeutige Angebote, herzhaft zu lachen, noch dazu an den richtigen Stellen, denn die Inszenierung ist nicht nur sehr musikalisch, sondern auch ziemlich textgetreu.

Im Graben entfacht der gestandene Opern-Kapellmeister Gernot Sahler mit seinem willigen Orchester oft einen wahren Furor der Leidenschaften und treibt der Partitur mit Ausnahme einiger idyllischer, von irisierenden Streichern oder sensiblen Bläsersoli gekrönter „schöner Stellen“ das Apollinisch-Liebliche aus – gut so, denn das Theatergenie Wolfgang Amadé war ein Meister hinterfotzig knallender Pointen, die in der ohnehin knalligen Akustik des Saals regelrecht explodieren und starke Kontraste setzen zur Melancholie mancher Arien. Im Finale, in welchem sonst die beiden Paare in der Paarung der Ausgangslage meist verdutzt herumstehen, schreien sie einander diesmal zornerfüllt an und laufen verbittert in alle Richtungen. Was auch musikalisch klappt, denn Mozart hat hier eine lapidare Festlichkeit komponiert, die man sehr gut schärfen kann.

Das Gesangsensemble gibt sein Bestes. Oft klingt, was die sehr südkoreanisch geprägte Gruppe da so singt, sogar glaubwürdig italienisch. Génesis Beatriz López Da Silva als wohltimbrierte Dorabella hat es da leichter, da aus Venezuela stammend. Die mit einem energischen Sopran mit manch leuchtenden Höhen ausgestattete Katarina Radovanović ist eine patente Fiordiligi und hat in ihrer Heimat Belgrad schon Erfahrungen als Donna Anna und Mimì gesammelt. Taesung Kim schlägt sich mit nettem Kavaliersbariton wacker als „Guilelmo“ (so schrieb es da Ponte!). Der lyrische Tenor Daehwan Kim gibt mit schönem, eigentümlichem Timbre, noch nicht ganz fokussiertem Vibrato a la Giacomo Lauri Volpi oder aktuell Joseph Calleja und liebenswert beherztem Spiel ein Versprechen für die Zukunft ab. Die fröhliche Soubrette Heekyung Park spielt die Despina mit frischem Selbstbewusstsein, wenn auch etwas eindimensional. Dagegen nimmt Xiaofei Liu als langhaariger Philosoph Don Alfonso mitunter fast allzu dämonische Züge an. Insgesamt wieder einmal eine erfrischende Produktion der einschlägigen Departments der Universität Mozarteum.

Weitere Vorstellungen: 17. und 19.5. um 19 Uhr, 20.5. um 17 Uhr. Alle Rollen sind mehrfach besetzt. – Die Vorstellung am Freitag (19.5.) wird im Livestream übertragen – www.moz.ac.at
Bilder: Universität Mozarteum / Judith Buss