Maiskolben und Tango voraus
LANDESTHEATER / TANGO... TANGO
19/10/20 Getanzt werden sollte Tango … Tango! schon im Mai. So fand die Uraufführung des Balletts von Reginaldo Oliveira und Flavio Salamanka im Landestheater im Oktober begeisterte Resonanz. Zugleich ist‘s ein Dank an die Primaballerina Márcia Jaqueline, die sich nach drei erfolgreichen in Salzburg nach Brasilien verabschiedet.
Von Horst Reischenböck
Getanzt werden sollte Tango … Tango! schon im Mai. So fand die Uraufführung des Balletts von Reginaldo Oliveira und Flavio Salamanka im Landestheater halt am Sonntag (18.10.) begeisterte Resonanz. Zugleich ist‘s ein Dank an Primaballerina Márcia Jaqueline, die sich nach drei erfolgreichen in Salzburg nach Brasilien verabschieden wird.
Für Überraschung war gesorgt: Ballettdirektor Reginaldo Oliveira und Flavio Salamanka, sie zeichnen für Idee, Choreografie und Ausstattung, richteten den Blick auf die vor allem für Argentinien typische und dort beheimatete Tanzform, die längst nicht allein mehr auf südamerikanische Ausführende beschränkt ist. Mit dem Appell „Lassen Sie alles hinter sich, was Sie glauben, über Tango zu wissen!“ wurde keineswegs nur die Eleganz dunkler Gewandung in noblen Salons und getanzten Eros beschworen.
Daran erinnerte nur zu Beginn einer der berühmtesten Tangos überhaupt: Der vom Titel her erotisch-zweideutige El Choclo – Der Maiskolben. (Das musste man aber zufällig wissen. Denn dieser Titel wurde, wie auch alle anderen Musiknummern, im Programmheft verschwiegen.)
Im weiteren Verlauf folgte fast logischerweise Tango Nuevo von Astor Piazzolla wie etwa Libertango, Vayamas al Diablo, Oblivion oder Milonga del Angel. Teilweise klar erkennbar in ihrer ureigensten authentischen Interpretation, aber auch aus Händen anderer Instrumentalisten, ertönten sie aus Lautsprechern - gelegentlich fast zu laut und übersteuert (was hohe Violintöne nah an den Rand akustischer Verzerrung brachte).
Von beiden Choreographen Salamanka und Oliveira erdacht, spielt sich das Ganze in einem imaginären Hafenviertel ab, realisiert auf einfach gestalteter der Drehbühne, die durchaus Assoziationen zu Tanzlokalen in Vororten von Buenos Aires liefert. Wie in Leonard Bernsteins Fancy Free in New York schlendern darin Matrosen – Hosenträger, Ruderleibchen – einher, offenbar auf Landurlaub. Sie bevölkern mit leicht bekleideten Mädchen die Szene. Nach dem erstem gemeinsamen Auftritt sitzen sie im Kreis und sehen Solisten-Paren zu, die vor ihnen privater Lebens- und Sinnenlust Ausdruck verleihen, immer wieder unter typischem Kontakt der Knie mit daraus resultierender V-Position ihrer Körper. Wie man Tango-Paar eben vor Augen hat. Perfekt und mit spielerischer Leichtigkeit sind die von den Damen mit den Absätzen ihrer Schuhe in den Tanzboden gewirbelten Achterfiguren. Eine neue Erkenntnis übrigens, wie vor Augen geführt: Zu Tango-Rhythmen lassen sich auch Gymnastikübungen auf und mit Sesseln ausführen: Körperliche Geschmeidigkeit vorausgesetzt lässt sich dies mit stupender Leichtigkeit ausführen.
Danach verlangsamt sich das musikalische Tempo, die Atmosphäre wird intimer, während sich, nun wieder im Freien, Frauen und Männer (letztere überraschenderweise ebenfalls plötzlich in Corsagen) zu Gruppen formieren und auf und über Dächer klettern. Inmitten als amüsante Episode das Öffnen und Schließen der Türe einer Spelunke, aus der Betrunkene beiderlei Geschlechts heraus befördert werden. Eine letzte fulminanten Steigerung zündete nach gut eineinviertel Stunden Jubel und langanhaltenden Beifall. Absolut sehenswert!