Traumschöne Perle der Südsee
LANDESTHEATER / DIE BLUME VON HAWAII
21/09/29 Ein echter Kanake käme im Libretto vor. Unser längst geächtetes Schimpfwort für Südeuropäer kommt nämlich aus dem Hawaianischen und bedeutet dort einfach – Mensch. In der Neuproduktion der Operette Die Blume von Hawai im Salzburger Landestheater darf der Mensch kein solcher mehr sein. Die Rolle wurde umbenannt. Hoch gelobt sei die political correctness!
Von Reinhard Kriechbaum
Wir wollen uns gar nicht ausmalen, wie Titus Feuerfuchs hieße, hätte man die Saison mit Nestroys Talisman und nicht mit Paul Abrahams 1931 uraufgeführter Operette eröffnet. Es verwundert dann schon ein klein wenig, dass die bühnen-hawaianischen Tänzerinnen sehr wohl in Baströckchen trippeln dürfen. Haben sich Unisex-Jeans noch nicht nach Polynesien durchgesprochen?
Aber wir hören schon auf zu nörgeln. Zu erzählen ist nämlich nicht nur von einer gut gemeinten, sondern ehrlich ambitionierten textlichen und inhaltlichen Neufassung. Es war ja nicht so, dass die Librettisten Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda ausschließlich Harmlosigkeiten in ihr Libretto geschrieben hätten. Ein Song wie Bin nur ein Jonny, zieh durch die Welt hat in den 1930er Jahren, wo bereits sehr systematisch Ressemtiments gegen die „Negermusik“ geschürt wurden, seine Botschaft nicht verfehlt. Der Operetten-Pop war alles andere als unpolitisch, dafür sorgten nicht nur jüdische Textschreiber dieser bereits als „blechern“ verschrieenen Operettenära.
Unsere Zeit ist, so scheint's, nicht unbedingt die der feinen Klinge. Deshalb erzählen Marco Dott als Regisseur und Friederike Bernau als Dramaturgin eine nach Kräften heutige Geschichte: Die Hawaianer wollen nicht mehr 50. Bundesstaat der USA sein, schon gar nicht unter diesem Präsidenten! Sie wollen raus. Das will der Gouverneur natürlich nicht, und aus dem Mutterland wird ein Marineoffizier als weiterer Aufpasser geschickt. Damit bekommt der einheimische Tenor-Prinz Taro einen weiteren Mann mit Tenorschmelz als (letztlich erfolgreichen) Nebenbuhler um die Gunst der Suzanne Provence, eines Hollywoodstars mit Südsee-Wurzeln.
Eine interessante Figur ist jener, der aus Gründen der politischen Korrektheit hier Will Roy heißen muß und nicht wie im Original Jim Boy. Keiner in der Tradition des Blackfacing (ein Weißer malt sich das Gesicht an und macht Show auf Kosten der Schwarzen), sondern ein echter Dunkelhäutiger, der die Ressentiments zu spüren kriegt, wiewohl er im Showbusiness erfolgreich ist: Schwarzes Gesicht, wolliges Haar … bin nur ein Nigger und kein weißer Mann reicht mir die Hand … wie lang soll das noch gehen?, singt er. Black lives matter lässt grüßen.
Toll, dass all die Handlungsumdeutungen und politischen Anspielungen den Operetten-Karren nicht bremsen. Es ist eine Aufführung mit gutem Timing. Die einfallsreiche Choreographie von Josef Vesely und Kate Watson forder nicht nur die drei Tanzpaare, sondern das gesamte Ensemble. Da hat Sophie Mefan (als Bessie) die allerbesten Karten, denn sie ist ein Tanz- und Gesangsprofi wie geschaffen für dieses Metier. Auch Andreas Wolfram als Will Roy, in New York ausgebildet, ist einschlägig vorbelastet. Die Produktion überzeugt insgesamt durch gute schauspielerische und gesangliche Leistungen, auch von jenen, die vom Opernfach kommen: Franz Supper (Prinz Taro) und Luke Sinclair (Kapitän Stone) machen genau so gute Figur wie Laura Incko (Suzanne Provence) und Hazel McBain (Raka). Dass die echten Hawaianer mit englisch/amerikanischerm Idiom sprechen, hat vielleicht unfreiwilligen Witz. Situationskomik setzt Regisseur Marco Dott (der selbst den Gouverneur spielt) ausgiebig und wirkungssicher ein. All das ist hochprofessionell gemacht.
Die Musik von Paul Abraham: Die ist für sich ein Zeitdokument. Der Jazz (oder genauer: der Ragtime) ist damals förmlich hineingeplatzt in die europäische Musik, nicht nur in die Avantgarde (man denke an Ernst Kreneks Jonny spielt auf). Auch das Operetten-Blech wurde damit noch einmal obeflächenveredelt. So manche Nummer spiegelt höheren musikalischen Ehrgeiz. Wenn die beiden Tenöre um Die Blume von Hawaii buhlen, ist das eine Nummer, die Opernflair ausstrahlt, aber mit dem jazzigen Trompeten-Wowwow ironisch gebrochen wirkt. Das macht das Mozarteumorchester unter der Leitung von Gabriel Venzago mit Schmiss und stilsicher: Traumschöne Perle der Südsee, auch wenn Black Power ins Muschelfleisch sticht.