Puppen- und Menschenzauber

MARIONETTENTHEATER / HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

14/04/19 Das Gemälde im Salon erwacht zum Leben, um als Statue auf dem Friedhof alsbald wieder zu erstarren... Ein psychedelischer Effekt, der bis heute ohne Computer und Animation hergestellt wird. Das Salzburger Marionettentheater steht für ein Theater, auf dem „wirklich“ noch gezaubert wird, um das Publikum zu verzaubern.

Von Heidemarie Klabacher

Klein die Bühne, noch kleiner die Figuren – ein Opernglas ist anzuraten – und groß die Wirkung. Das Salzburger Marionettentheater lädt anlässlich des 200. Geburtstags von Jacques Offenbach zur Wiederaufnahme der phantastischen Oper Hoffmanns Erzählungen.

Die Puppe im „Schaufenster“ des Marionettentheaters hinaus zur Schwarzstraße, die mit eleganter Geste Vorübergehende ins Haus zu bitten scheint, ist die Darstellerin der Olympia aus dem ersten Akt. Oder zumindest ein Double, denn die erste Besetzung hat Vorstellung. Eine zweite oder dritte Olympia ist noch vor Aufführungsbeginn in dem kleinen Film zu entdecken, der über dem Pausen-Buffet abgespielt wird: Impressionen aus der Geschichte des Marionettentheaters blitzen auf, darunter, die Demo-Zerstörung der Automaten-Puppe durch Coppelius.

Man halte sich das mit Genuss vor Augen, eine Puppe, die eine mechanische Puppe spielt, die zerstört wird wegen einer schnöden Geldsache... Der Stoff für die Gegen-Welt des Theater mit Puppen, das mit noch viel flüchtigerer Illusion und raffinierterem Spiegelzauber punkten kann als das Theater mit Menschen.

Im Marionettentheater feierte am Samstag (13.4.) Hoffmanns Erzählungen Premiere in Philippe Brunners Neueinstudierung der Inszenierung von Wolf Dieter Ludwig im Bühnenbild des legendären Günther Schneider-Siemssen.

Beim Schlendern im Foyer entdeckt man ein Bühnenbild-Modell der Weinstube, in dem die Rahmenhandlung spielt – Hoffmann erzählt den Studenten seine drei bizarr-tragischen Liebesgeschichten während er auf seine Angebetete wartet, die umjubelte Opernsängerin Stella, die nebenan Vorstellung hat... An das Bühnenbild-Modell kommt man ganz nahe heran und kann das Opernplakat entziffern, das an einer der Säulen im Weinkeller hängt... Ein Besuch im Marionettentheater ist eine Art Gesamt-Erlebnis.

Der Antonia-Akt, in dem weder Automaten-Puppen noch der Teufel auf Schatten- oder Seelenfang sondern archetypische Menschen zu Gange sind, ist besonders bewegend. Nicht nur in der Lesart der Puppen. Deren Welt ermöglicht zaubrische Effekte, wie die Verwandlung von Salon zu Friedhof, oder im Giulietta-Akt die Verwandlung des idyllischen Venedig in eine Stadt der Ratten: Zaubereien, wie die Schneider-Siemssen'schen Hologramme, ganz ohne Computer, wirken betörend auf die Vorstellungskraft.

Vom Band kommt eine zeitlos gültige Aufnahme – Decca 1968 – mit einem grandiosen Placido Domingo als Hoffmann. Eine überwältigende Joan Sutherland in den Frauenrollen gab besonders mit der Antonia eine Steilvorlage für Sängerinnen bis heute. Richard Bonynge dirigierte das Orchestre de la Suisse Romande. Dieser „Soundtrack“, der gar nicht nach Opernmuseum klingt, kommt im Marionettentheater erstaunlich leise aber in akzeptabler Klangqualität beim Hörer an.

Jacques Offenbach natürlich alles Gute zum „Zweihunderter“. Aber noch viel mehr alles Gute den Marionetten und ihren Spielerinnen und Spielern für die nächsten 105 Jahre.

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Bilder: dpk-klaba