Spiel im Spiel um Stille Nacht

SALZBURGER ADVENTSINGEN / STILLE NACHT

28/11/18 Wenn eine Institution geeignet ist, Geschichte und Bedeutung des Liedes Stille Nacht in Szene zu setzen, dann wohl das Salzburger Heimatwerk, mit der „Mutter aller Adventsingen“ im Großen Festspielhaus: Mit ebenso viel Bewusstsein für historische Tatsachen und musikalische Qualität wie Gespür für anschauliche Vermittlung, näherte man sich – ganz ohne Maus in der Orgel – den Wurzeln des Liedes in Oberndorf.

Von Heidemarie Klabacher

Die Bühne im Großen Festspielhaus, weltweit ja eine der größten ihrer Art, bietet einem Städtchen am Anfang des 19. Jahrhunderts locker Platz. Man meint denn auch, nach Oberdorf hineinzukommen, wenn man, wie heute Mittwoch (28.11.) zur Pressepräsentation des Jubliäums-Adventsingens Stille Nacht das Große Festspielhaus betritt.

Erzählt werden, wie immer, die Ereignisse vor und um Jesu-Geburt „heute“ im Adventsingen, diesmal also verknüpft mit der Entstehung von Stille Nacht „damals“ in Oberdorf.

Hans Köhl hat das Stück dazu auf zwei Bedeutungsebenen angesiedelt, die „spielerisch“, auch in einem „Spiel im Spiel“ ineinander greifen. Verwoben sind die Handlungsebenen besonders über die Hauptfiguren, die alle eine Doppelrolle spielen.

Maria, die tatsächlich schwangere Sopranistin Simone Vierlinger, ist auch eine Kräuterheilerin. Der Tenor Bernhard Teufl, der bewährte Josef, gibt den Hilfspriester Mohr, hat also quasi zwei zentrale Rollen. Da er tatsächlich einmal kurz darüber nachgedacht habe, dass der Priesterberuf interessant sein könnte, erzählte Teufl, sei er jetzt ganz zufrieden damit, diese mögliche Karriere im Spiele nachzuholen. Er greift übrigens auch zur Gitarre, obwohl er „absolut nicht“ Gitarre spiele.

Einen ähnlichen Rollenwechselt hat der Organist des Adventsingens Konstantin Schrempf hinzulegen, der seinen „sicheren Posten am Orgelpositiv“ verlassen und als Organist Gruber aktiv als Schauspieler auf der Bühne stehen wird. „Im Großen Festspielhaus einfach aufstehen und singen und spielen, das ist schon was…“ Da er aber im echten Leben genau das sei, „Organist und Lehrer“, müsse er keine Rolle spielen: „Ich bin es ja.“ Schrempf-Gruber und Teufl-Mohr hätten einander bei ihren neuen Herausforderungen in der Vorbereitung beigestanden, beim Gitarre und beim Schauspielen lernen.

Die Rolle der Elisabeth ist gespiegelt in der Rolle der Messnerin, die ein Auge auf den feschen Pfarrer geworfen hat. Dei Mezzosopranistin Martina Gemeinder spielt und singt. Der Engel ist zuvor eine Bettlerin. Die Verwandlung durch  macht die Sopranistin Elisabeth Eder. Als Wirt auf zwei Zeitebenen agiert der Bariton Florian Eisner. Zentral ist die Rolle des „Hirtencapos“ und „Einlegers“ von Edwin Hochmuth.

Bühnenbildner Dietmar Solt hat, trotz „privaten Unfalls im Juli“, ganze Arbeit geleistet und das bislang größte Bühnenbild in der Geschichte des Adventsingens geschaffen, die ganze Bühnenbreite im Großen Festspielhaus mit städtebaulicher „Architektur“ gestaltet, die hölzernen, weiß grundierten Gebäude im „Aquarellton der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts“ mit lasierenden, also durchscheinenden Farben, bemalt – und ein Oberndorf erstehen lassen, wie es um 1818 ausgesehen haben mag. Natürlich inklusive der inzwischen zerstören „Uraufführungskirche“ Sankt Nikolaus. Das ganze Setting funktioniere tatsächlich wie eine Stadt mit Gassen und Stiegen, erzählte Dietmar Solt beim Pressegespräch. Habe es seitens des Regieteams doch immer wieder mal geheißen, „Ich brauche noch eine Gasse. Dort brauchen wir noch einen Auftritt…“

Ähnliche historische Akribie lässt seit Jahren der Kostüm- und Maskenbildner des Adventsingens, Hellmut Hölzl, walten. „Recherche ist die Grundlage der Arbeit: Was war damals in Mode? In der Stadt? Auf dem Land.“ Da man damals seine „guten Kleider“ zehn, fünfzehn Jahre lang getragen habe, sei er gut zehn Jahre hinter 1818 zurückgegangen, habe den

Kleidern der Damen teils die etwas höhere Empiretaille samt der fast bodenlangen Rocklänge der Zeit verpasst. Jede Figur habe quasi ein eigenes Farbkonzept. Maria ein helles Blau, „damals die billigste Farbe, vorbehalten Mädchen und jungen Frauen“. Elisabeth Violett, „Farbe der Hoffnung“.

Trotz Schauspiel und Szene sei der Schwerpunkt beim Adventsingen immer noch „das Singen“, betont Hans Köhl. Clemens Vereno hat wiederum die Musik komponiert und mit traditionellen Volksliedern in engste Verbindung gebracht.

Das Salzburger Jubiläums-Adventsingen werde, ganz dem Stille Nacht-Lied entsprechend ein schlichtes, stilles Erlebnis, wenngleich zu Beginn mit dem musikalischen Prolog Verfluchter Krieg! von Klemens Vereno ein schmerzhafter Aufschrei der geschundenen, geknechteten Gesellschaft jener Zeit erfolge, erzählt Hans Köhl. „Dieser Aufschrei mündet in einen demütigen Bittgang der Oberndorfer Kirchensinger, die mit Joseph Mohr von der Wallfahrtskirche Maria im Mösl kommen.“

Salzburger Adventsingen „Stille Nacht“ – Premiere ist am Donnerstag (29.11.) im Großen Festspielhaus - alle Vorstellungen sind ausverkauft - www.salzburgeradventsingen.at
Bilder: Salzburger Adventsingen/Neumayr; dpk-klaba (1)